Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Ukraine

Déjà vu in Brüssel: Das aggressive Vorgehen
Russlands auf der Krim erinnert an den Einmarsch im Kaukasus vor
sechs Jahren. Wieder einmal muss die EU in einer eilig einberufenen
Krisensitzung zu einer gemeinsamen Position finden. Schon fordern
Hardliner, dass man Russland dieses Mal streng bestrafen solle. Aber
was kommt danach? Die Warnungen vor einem blutigen Krieg in Europa
sind nicht aus der Luft gegriffen. Deshalb muss der Westen auf Dialog
statt Sanktionen setzen. Mit dieser Strategie konnte auch der
Kaukasus-Konflikt entschärft werden. Die Lage in der Ukraine spitzt
sich stündlich zu. Der Einmarsch russischer Truppen auf der Krim ist
der vorläufige Höhepunkt im geopolitischen Gezerre um die Ukraine
zwischen Ost und West. Keine Frage, Russland verstößt mit seinem
Vorgehen gegen das Völkerrecht: So hat Moskau der Ukraine im so
genannten Budapester Protokoll von 1994 die Wahrung ihrer
territorialen Integrität zugesichert. Dass Putin sich darum nun
nicht mehr schert, eröffnet der EU eine solide Grundlage für
Sanktionen. Russland ist keineswegs so unverwundbar, wie es das Land
selbstbewusst propagiert. Schließlich werden 50 Prozent des
russischen Außenhandels mit der EU abgewickelt, 75 Prozent der
ausländischen Investitionen kommen aus der EU. Darüber hinaus ist ein
großer Teil des Vermögens der Moskauer Machtelite in Europa angelegt.
Strafaktionen würden das Land treffen. Dennoch sind sie zum jetzigen
Zeitpunkt der falsche Weg. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat
Recht, wenn er die Stunde der Krisendiplomatie ausruft. Diese ist
notwendiger denn je. Der Gesprächsfaden zu Russland darf dabei nicht
abreißen. Schließlich hat sich erst vor wenigen Tagen gezeigt, dass
Ost und West gut miteinander können, wenn es denn sein muss. Zur
Erinnerung: Erst als Russland ebenfalls einen Sondervermittler nach
Kiew geschickt hatte, gelang es dem EU-Vermittlungstrio um
Außenminister Steinmeier Wiktor Janukowitsch sowie die Opposition auf
ein Abkommen festzunageln. Dieses ist zwar aufgrund der Entwicklungen
längst überholt. Doch immerhin hat der europäisch-russische Dialog
dazu beigetragen, das Morden auf dem Maidan zu beenden. Russland noch
weiter in die Enge zu treiben, ist keine Lösung. Alles, was über
Drohgebärden hinausgeht, trägt nicht zur Deeskalation bei. Im
Gegenteil: Eine neue Ost-West-Konfrontation wie im Kalten Krieg ist
programmiert. Das kann sich in Europa 25 Jahre nach dem Mauerfall
niemand wünschen. Umso wichtiger ist es, dass Kiew und Moskau
aufeinander zugehen. Hier ist die EU als Mediatorin in der Pflicht.
Schließlich hat sie ihren Teil zur Installation des Übergang-Regimes
beigetragen. Ihren Einfluss auf die Regierung sollte Brüssel darüber
hinaus nutzen, um Druck auszuüben. Nur wenn in der Ukraine
pro-russische und pro-westliche Kräfte gleichberechtigt sind, gibt es
eine Chance auf Frieden.

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261

Weitere Informationen unter:
http://