Es kam wie es kommen musste. Das Minsker
Waffenstillstands-Abkommen war kaum besiegelt, da hielt sich schon
niemand mehr daran. Vor allem nicht die von Russland unterstützten
Separatisten, die am strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkt
Debalzewo im Osten der Ukraine Fakten schufen. Was Wladimir Putin
bloß mit den Worten kommentierte, Kiew sollte einfach akzeptieren,
verloren zu haben. Gewissermaßen tat der ukrainische Präsident Petro
Poroshenko genau das als er nach einem Telefonat mit US-Vizepräsident
Joe Biden den Abzug der Regierungstruppen aus Debalzewo bestätigte.
Zyniker mögen darin die Chance sehen, dass nach der Kapitulation
Kiews bei diesem am Verhandlungstisch nicht lösbaren Streit der
Waffenstillstand nun beginnen kann. Leider dürfte sich diese
Erwartung als genauso verfehlt erweisen wie die Hoffnung, Putin werde
sich am Ende nicht holen, was er für opportun hält.
Der Westen hat bisher keine schlüssige Antwort auf die
neo-russische Sammlungspolitik gefunden. Stattdessen bestimmen
Ratlosigkeit und Durchwursteln die Reaktion auf die gewaltsame
Neuziehung von Grenzen im Herzen Europas. Ein Tabubruch 70 Jahre nach
Ende des Zweiten Weltkriegs, mit dem Putin nicht davon kommen darf.
Bei allem Respekt für die Geduld der Bundeskanzlerin und ihrer
diplomatischen Siysiphos-Arbeit mit dem französischen Präsidenten,
sind die Europäer mit der Aufgabe überfordert, den Ukraine-Konflikt
in eigener Zuständigkeit zu lösen. Am Ende geht es bei Fragen der
Geostrategie nicht ohne die Führung der USA, die den
sicherheitspolitischen Unterbau der Nato liefert.
US-Präsident Obama tut gut daran, sich nicht in einen
Stellvertreter-Krieg locken zu lassen, den Amerika nur verlieren
kann. Auch Waffenlieferungen an die Ukraine allein machen wenig Sinn,
solange der Westen keine Antwort auf die Frage hat, was der nächste
Schritt wäre, falls dies nicht ausreicht, Putins Aggression zu
stoppen.
Aber Obama muss mehr tun. Er kann die Führungsrolle der Supermacht
nicht delegieren, weil niemand da ist, der sie ausfüllen kann.
Benötigt wird eine glaubwürdige Eindämmungs-Strategie, die Stärke
signalisiert. Dafür muss der Westen den Preis spürbar nach oben
schrauben, den Putin für seine Politik zahlen muss.
Dafür kommen schärfere Sanktionen in Frage, die denen wehtun,
deren Unterstützung der Herr im Kreml ganz dringend zur
Machtsicherung braucht. Russlands Oligarchen werden Putin gewiss von
sich hören lassen, wenn die Geschäfte nicht mehr gut laufen oder
internationales Reisen beschwerlich bis unmöglich wird.
Bevor über die Lieferung von Defensiv-Waffen nachgedacht wird,
müssen die USA mit ihren Nato-Partnern klären, zu welchen
Sicherheitsgarantien sie am Ende tatsächlich bereit sind. Ohne eine
klare Position der Supermacht wird sich diese Frage nicht beantworten
lassen.
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Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
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