Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur US-Außenpolitik

Der Besuch von US-Vizepräsident Joe Biden bei
Kanzlerin Angela Merkel in Berlin nur wenige Tage nach Beginn der
zweiten Amtszeit Barack Obamas sollte ein Signal setzen. Der in
Europa eifersüchtig beklagte »Schwenk nach Asien« bedeutet nicht,
dass sich die USA von ihren alten Freunden auf der anderen Seite des
Atlantiks abwenden. Biden überbringt in Berlin und bei der
Sicherheitskonferenz in München die gegenteilige Botschaft: »Es gibt
keinen Grund zur Sorge. Europa ist Amerikas engster und ältester
Verbündeter.« Mit Bidens Charme-Offensive einher geht die Erwartung
an die Europäer, in einer zunehmend multipolaren Welt mehr
Verantwortung zu übernehmen. Libyen und zuletzt Mali bieten sich als
Paradebeispiele dafür an, zeigen aber auch die Grenzen auf. Fehlen
den Europäern doch militärische Kapazitäten, ohne die es nicht geht –
etwa beim Truppentransport oder bei der Luftbetankung von Flugzeugen.
Nach den Kriegen in Afghanistan und Irak gibt es in den USA wenig
Neigung, die internationalen Lasten als eine Art Weltpolizei
weitgehend alleine zu schultern. Darüber dürfen die kräftigen Worte
nicht hinwegtäuschen, mit denen Biden verspricht, Iran »daran zu
hindern, eine Nuklearwaffe zu bekommen«. Die USA setzen auf robuste
Diplomatie, nicht auf vorschnelle militärische Aktion. Anders als
während der Bush-Jahre ist es nicht mehr Ziel der USA, Terrorismus
mit der aktiven Verbreitung von Demokratie zu bekämpfen. Das neue
sicherheitspolitische Team des Präsidenten personifiziert den Wandel.
Mit Außenminister John Kerry und dem designierten Chef im Pentagon
Chuck Hagel hat Barack Obama zwei Vietnam-Veteranen berufen, für die
Krieg keine Option unter anderen, sondern das letzte Mittel der
Politik ist. In der Bevölkerung kommt diese Haltung gut an. Die
Kriegsmüdigkeit ist genauso parteiübergreifend wie die Erwartung,
jetzt erst einmal die Probleme im eigenen Land anzugehen – von der
Erholung des Arbeitsmarkts über den Abbau der bald 17 Billionen
Dollar Schulden bis hin zu Investitionen in die marode zivile
Infrastruktur. Europa wird in dieser neuen Realität als »starker
Partner« gebraucht. Angesichts realer Einschnitte in die
Verteidigungshaushalte von 15 Prozent seit 1990 werden die
Verbündeten mehr tun müssen, um diese Aufgaben künftig übernehmen zu
können. Zumal es im eigenen Interesse liegt. Bereits in naher Zukunft
werden die USA dank des in Deutschland so umstrittenen Frackings
energieunabhängig sein, während Europa weiter am Öltropf des Nahen
Ostens und dem russischen Gashahn hängt. Das hat geostrategische
Konsequenzen, die eine neue Lastenverteilung unvermeidbar macht.
Thomas J. Spang (47) ist seit 1999 Korrespondent in Washington. Er
ist in Büren (Kreis Paderborn) aufgewachsen.

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