Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur US-Notenbank

Verkehrte Welt? US-Notenbankchef Ben Bernanke
unternimmt einen ersten Schritt, um die Politik des billigen Geldes
einzuschränken. Das sollte normalerweise die Aktienkurse in den
Keller treiben. Schließlich fehlt das Geld nun bei Investitionen.
Doch wie so oft halten sich die Anleger nicht an die populären
Theorien: Die Kurse gingen fast weltweit nach oben.

Ganz offensichtlich erwarten die Börsianer von dieser Maßnahme
keine negativen Folgen. Trotz aller Warnreden ist Bernanke nämlich
auch mit der jüngsten Entscheidung seinem Kurs des Geldflutens treu
geblieben. Wollte er wirklich die Menge begrenzen, hätte er beginnen
müssen, Deiche zu errichten. Stattdessen hält er die Geldschleusen
offen. Die leichte Reduzierung des Ankaufprogramms für Staatsanleihen
und Immobilienpapiere ist kaum mehr als ein symbolischer Akt – der
zweite, nachdem der Notenbankchef schon vor vielen Wochen ankündigte,
das billige Geld könne nicht ewig fließen. Kurze Zeit danach legte er
sich und seine Nachfolgerin Janet Yellen darauf fest, dass der
historische Tiefstand zwischen null und 0,25 Prozent bei den
US-Leitzinsen noch mindestens bis 2015 anhalten werde.

Ben Bernanke wird als der Chef in die Geschichte der Federal
Reserve eingehen, der den Dollar in einer Weise verbilligt hat, die
vorher nicht für möglich gehalten wurde. In den 14 Jahren zwischen
1994 und 2008, die größtenteils noch von Vorgänger Alan Greenspan
verantwortet wurden, hat sich die Geldmenge in den USA verdoppelt.
Bernanke brauchte 2009 nur vier Monate, um sie noch mal um die
gleiche Summe zu erhöhen.

Damit hat er ein Zusammenbrechen der Wirtschaft als Folge der
Finanz- und Immobilienkrise in den Vereinigten Staaten verhindert.
Zugleich hat er aber auch das Schuldenmachen, das den USA sowohl im
privaten als auch im staatlichen Rahmen noch nie schwer fiel, noch
einmal in vorher kaum vorstellbarem Maß in die Höhe getrieben. Allein
der Staat steht mit 17 Billionen Dollar in der Kreide. Das sind 17
000 Milliarden Dollar oder 12 440 Milliarden Euro. Zugleich geben 43
Prozent der privaten US-Haushalte jeden Monat mehr Geld aus als sie
einnehmen. Da kann man sich leicht vorstellen, welche kurzfristigen
sozialen und wirtschaftlichen Folgen ein abruptes Umschwenken in der
Zinspolitik haben würde. Doch das Problem wird dadurch, dass die
Schleusen sperrangelweit offen bleiben, nicht kleiner. Die Folgen
hat, wie überall auf der Welt, die nächste Generation zu tragen. Die
Währung, in der sie – wenn überhaupt – für ihr Alter und eventuelle
Unglücksfälle vorsorgt, wird immer schwächer. Kein US-Präsident legte
bisher einen Plan vor, wie die Schulden zumindest langfristig
reduziert werden. Stattdessen begibt sich die Weltmacht auch
politisch immer weiter in die Hände Chinas und anderer Gläubiger.
Nicht Griechenland gefährdet das weltweite Finanzsystem und die
Weltwirtschaft. Es sind die USA.

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