Donald Trump wird neuer US-Präsident und die
Welt ist eine andere. Besser ist sie in der denkwürdigen Nacht zum 9.
November 2016 nicht geworden. So mancher glaubt sich in einem
bösen Traum, dabei wird es längst Zeit für das Erwachen. Die
Schockstarre, die den Berliner und Brüsseler Politikprofis gestern
den ganzen Tag über anzumerken war, muss überwunden werden – und zwar
schnell. Wir haben nicht zu richten über diese Wahl, sondern wir
müssen das Ergebnis respektieren und damit umgehen. Erst recht, weil
Amerika aus der Rolle gefallen ist. Die transatlantische
Partnerschaft steht vor einer sehr harten und langen Probe.
Der Befund ist dramatisch: Der »common sense« – diese stille, aber
lange wirkungsvolle Übereinkunft über das, was westliche
Demokratien und ihre unvergleichlichen Vorteile ausmacht – erodiert
in einem rasanten Tempo. Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan, Viktor
Orban – sie und viele andere reiben sich die Hände. Die Gefahr jedoch
ist noch näher. Viel näher, als wir uns das in unserer gemütlichen
Selbstzufriedenheit eingestehen wollen. Marine le Pen in Frankreich,
Geert Wilders in den Niederlanden, die FPÖ und das Amt des
Bundespräsidenten in Österreich. Für all das wirkt Trumps Triumph wie
ein Aufputschmittel. Wiederholung keinesfalls ausgeschlossen!
Der Sieg des Republikaners Trump, der von weiten Teilen seiner
Partei verachtet wird, mag einer Sensation gleichkommen. Die
ungläubige Reaktion in Deutschland und weiten Teilen der Welt
beweist aber auch: Die US-Amerikaner ticken anders, als wir uns das
in der großen Mehrheit wünschen mögen. Ihre Entscheidung mag
irrational sein, aber das ändert nichts.
Ja, wir sind auch Opfer eines großen Selbstbetruges geworden: Als
Trump einer von vielen republikanischen Bewerbern war, hieß es, er
werde sowieso nicht Präsidentschaftskandidat. Und als er Kandidat
war, hieß es, der Mann habe keine Chance auf den Einzug ins Weiße
Haus. Nun reiben wir uns verwundert die Augen – auch deshalb, weil
nicht sein konnte, was nicht sein durfte. Offenbar genügt im
postfaktischen Zeitalter ein einziger harter Fakt, um uns einen
Schrecken und vielen sogar Angst einzujagen.
Die Demoskopen wie auch zahlreiche Medien müssen sich einmal mehr
fragen lassen, wie sie mit ihren Prognosen so meilenweit daneben
liegen konnten. Hat die Abneigung gegen Trumps pannenreiche und oft
peinliche Kampagne den Blick für die Realität in den USA verstellt?
Ist sein vermeintlich unprofessioneller und selbstentlarvender
Wahlkampf womöglich sogar der Garant für diesen grandiosen Erfolg
gewesen? Für das Bündnis mit seinen Anhängern jedenfalls brauchte
Trump das Wohlgefallen der Experten nicht. Im Gegenteil: Jede Kritik
an seinem Populismus – oft selbst im Ton des Populismus vorgetragen
– hat die Reihen hinter ihm nur fester geschlossen. So darf man
gespannt sein, wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier dem
neuen US-Präsidenten begegnen wird, den er kürzlich noch einen
»Hassprediger« genannt hat.
Ganze Landstriche sind in den Vorwahlanalysen vom Radar
verschwunden. »Flyover country« nennen die Amerikaner das Phänomen,
wonach auf die Stimmung in den USA ausschließlich mit Blick auf die
Küstenregionen geschlossen wird. Was dazwischen liegt, ist das
»flyover country« – das überflogene, sprich vergessene Land. Und
dieses Land samt der Erfolge in fast allen Swing States hat Donald
Trump zum 45. Präsidenten der USA gemacht. Die weißen, eher
ungebildeten Männer haben ihm zur Macht verholfen, weil er sie im
ungeahnten Maße mobilisieren konnte.
Das konnte nur gelingen, weil diese Wähler für sich andernorts
keine Perspektive sahen. Schon gar nicht bei Hillary Clinton. Ihre
Erfahrung in höchsten Staatsämtern war ein Pfund, mit dem sie nie
zu wuchern vermochte. Im Gegenteil: Immer wieder konnte Trump sie als
Mitglied einer abgehobenen Politikerkaste denunzieren, die mehr für
sich als für das Allgemeinwohl arbeite. Zu viel blieb hängen, und
längst nicht alle seiner Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage. Für
Hillary Clinton hat es nicht gereicht, nur das kleinere Übel zu sein.
Eine Vision, einen Plan für ein besseres Amerika hat sie – anders
als Bernie Sanders etwa – vermissen lassen. Das wurde gnadenlos
bestraft.
Nun steht die bange Frage im Raum: Macht Donald Trump all seine
Ankündigungen wahr? Seine erste kurze Dankesrede nach der gewonnenen
Wahl mag manchen beruhigt haben. Ist da einer in Sekundenschnelle vom
Saulus zum Paulus geworden? Vorsicht: Der versöhnliche Ton, den Trump
anschlug, sollte niemanden in die Irre führen. Dieser Mann wird das
Land nach ganz anderen Kriterien führen, als wir das bisher gewohnt
waren. Big business zählt. Was das heißt: TTIP ist tot, die Nato
nicht mehr heilig und zahlreiche geopolitische Koordinaten kommen
auf den Prüfstand. Donald Trump muss gar nicht alle seine Drohungen
wahr machen, um die Weltordnung noch mehr durcheinander zu bringen,
als sie das ohnehin schon ist.
Dass er dabei dank der Kongress- Mehrheiten im Senat und im
Repräsentantenhaus »durchregiert«, ist unwahrscheinlich. Zu tief ist
der Graben zur republikanischen Partei. Zur Entwarnung taugt das aber
leider nicht, denn das viel gepriesene System der »checks and
balances« wird den unberechenbaren und in Teilen unbestreitbar
gefährlichen Kurs Donald Trumps allein keinesfalls einzuhegen
vermögen. Dazu sind die Machtbefugnisse eines US-Präsidenten einfach
zu groß. Von seiner Rolle auf der weltpolitischen Bühne ganz zu
schweigen.
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