Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur US-Wahl

Die US-Zwischenwahl hat Präsident Barack Obama
abgestraft. Arbeitslosigkeit, Konjunkturschwäche, Immobilienkrise
oder das Haushaltsdefizit werden seiner Regierung angekreidet. Die
Wähler sind enttäuscht und geben dem Präsidenten wenig Zeit, die
größte Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren zu bewältigen. Die
Zwischenwahl in diesem November stürzt Amerika in eine politische
Krise, die Obamas Niedergang einläuten könnte. Hat der Präsident
dieses schlechte Zeugnis verdient? Immerhin hat er die Steuern für 85
Prozent der Bevölkerung gesenkt, ein massives Konjunkturprogramm auf
den Weg gebracht, die Automobilindustrie gerettet, eine allgemeine
Krankenversicherung durchgesetzt, CO2-Grenzen eingeführt, eine neue
Energiepolitik angepackt und den Kampfeinsatz im Irak beendet. Ohne
Obamas Wirtschafts- und Sozialpolitik stünde es weitaus schlechter um
Konjunktur, Beschäftigung und soziale Sicherheit. Von außen
betrachtet lässt sich Obamas Bilanz also durchaus sehen. Doch der
Präsident hat ein Problem: Die Arbeitslosigkeit ist seit 18 Monaten
nicht unter 9,5 Prozent gesunken, und die Wähler sind wütend. Der
Präsident wird zum Sündenbock für die Fehler seines Vorgängers George
W. Bush und die Versäumnisse der Wirtschaft, die ihre Arbeitsplätze
zunehmend ins Ausland verlagert. Trösten könnte ein Blick auf das
Schicksal von Obamas Vorgängern: Auch Ronald Reagan wurde 1982 bei
den Zwischenwahlen wegen zu hoher Arbeitslosigkeit abgestraft. Seine
Beliebtheit war auf 40 Prozent gesunken, dennoch wurde er 1984
triumphal wiedergewählt. Und auch Bill Clinton erlitt 1994 bei den
Zwischenwahlen eine Niederlage und stand zwei Jahre später als Sieger
da. Obama hat es jedoch schwerer als Reagan und Clinton: Die
Wirtschaft erholt sich nur langsam, die Arbeitslosigkeit bleibt hoch.
Während Clinton 1996 beste Konjunkturdaten vorlegen konnte, muss
Obama noch lange gegen die Wirtschaftskrise kämpfen. Der bockige
Kongress wird ihm obendrein Knüppel zwischen die Beine werfen, und
die Republikaner wollen seine Wiederwahl 2012 mit aller Macht
verhindern. Washington rutscht jetzt in einen politischen
»Bürgerkrieg«: Die Republikaner greifen an, die Demokraten gehen in
die Defensive, und Amerika leidet. Die Kongresswahlen haben das Land
zusätzlich tief gespalten. Obama hat gestern der Opposition seine
Zusammenarbeit angeboten. Er hofft, ein »ziviles politisches Klima«
schaffen zu können. Doch diese Hoffnung könnte sich zerschlagen: Die
Republikaner haben bisher jegliche Kooperation abgelehnt; mit der
neuen Mehrheit können sie noch streitbarer werden. Der Kleinkrieg
zwischen Regierung und Kongress droht, Obamas großes Reformprogramm
aufzureiben. Für diesen Präsidenten wird es jetzt sehr schwer, die
Wiederwahl in zwei Jahren zu erringen.

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