Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Wahl in Frankreich

Wenn die Kanzlerin die Wahl hätte, würde Nicolas
Sarkozy Mieter des Elysee-Palastes bleiben. Seit 2007 arbeitet Angela
Merkel eng und vertrauensvoll mit dem französischen Staatspräsidenten
zusammen. Die beiden größten Volkswirtschaften sind Europas Motor.
Bei unzähligen Gipfeltreffen zogen Merkel und Sarkozy Vorschläge für
die Rettung des Euro, Europas und der ganzen Welt aus dem Hut, die
später in der Versenkung verschwunden sind. So wird es auch dem
Sonderkonto gehen, auf das Griechenland alle Einnahmen überweisen
soll, um dann die Schulden zu tilgen. So eindeutig hat noch niemand
die Entmündigung der griechischen Regierung gefordert. In Athen läuft
vieles falsch. Aber weder Merkel noch Sarkozy glauben im Ernst daran,
dass ihre Idee von der EU und den Mitgliedsstaaten gestützt wird.
Aber die eigenen Anhänger sollen zunächst einmal beruhigt werden.
Dabei es ungewiss, ob die herzlichen Umarmungen und galanten
Handküsse zwischen Sarkozy und Angela Merkel noch Ende Mai ein
Fotomotiv f sein werden. Derzeit sehen Umfragen den Sozialisten
François Hollande bei den Präsidentschaftswahlen am 22. April und der
möglichen Stichwahl am 6. Mai vorne. Sarkozy hat noch nicht einmal
seinen Hut in den Ring geworfen. Er wartet auf den günstigen
Augenblick, um einen harten, aber kurzen Wahlkampf einzuläuten.
Deshalb ist für Sarkozy der Merkel-Besuch so wichtig. Die deutsche
Kanzlerin steht für wirtschaftlichen Erfolg. Etwas, was Sarkozy nicht
vorweisen kann. Gerade erst wurde die Kreditwürdigkeit Frankreichs
herabgestuft – eine persönliche Ohrfeige für den Präsidenten.
Neidisch blickt er auf das Wachstum und die Arbeitslosenzahlen seiner
Nachbarn im Westen. Lange hatte Sarkozy gehofft, seine Landsleute
würden die Bemühungen, den Euro zu stützen, als politische Großtat
würdigen. Ein schwerer Fehler. Jetzt sollen die Kanzlerin und ein
Wunder helfen. Erst gestern gelobte sie dem Präsidenten ihre
Solidarität, weil Sarkozy der befreundeten Parteienfamilie angehöre,
»egal, was er tut«. Das kann sie nur im allgemeinen Überschwang
gesagt haben. Denn mit letzter Überzeugung steht Merkel nicht hinter
Sarkozys Krisen-Rezepten. Er will die Mehrwertsteuer und die Abgaben
für Immobilien- und Kapitaleinkünfte erhöhen. Beides würde in
Deutschland als »Gift für die Konjunktur« gebrandmarkt. Dennoch: Es
gibt mit dem Amtsinhaber mehr Gemeinsamkeiten als mit Hollande. Nur
in der Energiepolitik stehen sich die Christdemokratin und der
Sozialist nahe. Zudem haben es Merkel und Sarkozy gerade vor einer
Woche geschafft, der Euro-Zone eine Schuldenbremse zu verpassen.
Hollande will das Gegenteil – mehr Geld ausgeben. Das ist ein Grund
mehr für die Kanzlerin, Sarkozy dabei zu helfen, sein Amt zu
verteidigen. Das liegt auch im deutschen Interesse.

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