Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zur AfD

Bislang hatte die AfD leichtes Spiel. Frauke
Petry und ihre Mitstreiter brauchten die Hilflosigkeit der
Bundesregierung in der Flüchtlingskrise nicht einmal übertrieben laut
zu kommentieren, um auf mehr als zehn Prozent Zustimmung in der
Bevölkerung zu kommen. Immer mehr CDU-Wähler, die mit der
Flüchtlingspolitik der Kanzlerin nicht einverstanden sind, wären
bereit, AfD zu wählen. Das zeigen die Umfragen ganz deutlich.
Schrecken diese Bürger aus der Mitte der Gesellschaft jetzt, nach den
Aussagen der AfD-Führungsfrauen über Schusswaffengebrauch bei
illegalen Grenzübertritten, vor der AfD zurück? Frauke Petry und
Beatrix von Storch haben nicht spontan und nicht live in einer
Talkshow über ihre Vorstellung von einer Art Schießbefehl auf
Flüchtlinge geraunt. Ihre brisanten Sätze haben sie kalkuliert
geäußert.

Dieses Kalkül einer zumindest gedanklich-verbalen Radikalisierung
könnte sich als unklug erweisen. Wenn die AfD-Spitze meint, dass sie
die übergelaufenen CDU-Wähler schon sicher hat, dann hat sie sich
verrechnet. Wer in der Mitte Stimmen holen will, sollte nicht zu
tief in den braunen NPD-Sumpf tauchen. Denn dem knappen Prozent,
das am äußersten rechten Rand zu holen ist, stehen deutlich höhere
Verluste in der Mitte entgegen.

Die AfD hat der in der Flüchtlingskrise ohnmächtig wirkenden
Großen Koalition einen Gefallen getan. Mit Beschimpfungen, Rufen nach
Verfassungsschutz und Verweis auf die eigene Verfassungstreue können
Union und SPD für den Moment davon ablenken, dass sie den
unkontrollierten Zustrom von Flüchtlingen (64 000 allein im
Januar) nicht abbremsen können.

Unter dem Druck hat die Bundesregierung ihre Rhetorik hörbar
verändert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt den Flüchtlingen
Fristen, und Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) droht mit
Leistungskürzungen. Solche Ankündigungen sind ebenso Reaktionen auf
die Umfragewerte der AfD wie die Weigerung der
SPD-Ministerpräsidentinnen, TV-Debatten mit AfD-Beteiligung zu
besuchen.

Der Versuch, die rechtspopulistische Gruppe auf diese Weise zum
Paria zu machen, ist ein Irrweg. Denn politische Ausgrenzung
produziert politische Märtyrer und nimmt schnell Züge an, in denen
Ansätze von Faschismus erkennbar sind. Jüngste Beispiele dafür sind
die Manipulationen bei der Landtagswahl in Bremen zulasten der AfD
und der Schuss auf einen Mann, der in Karlsruhe ein AfD-Wahlplakat
aufstellte.

Deutschland ist ein Parteienstaat. Und wenn der Staat nicht mehr
funktioniert, haben die im Bundestag vertretenen Parteien versagt.
Darin sieht die AfD ihre Chance. Und so lange die Große Koalition die
Flüchtlingszahlen nicht reduzieren kann, bleibt die Chance für die
AfD bestehen.

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261