Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zur Loveparade-Katastrophe vor einem Jahr

Zum Jahrestag der Loveparade-Katastrophe am
Sonntag werden die Angehörigen und Freunde der Opfer erneut an die
Unglücksstelle kommen, um gemeinsam zu trauern. Und auch diesmal
quälen sie die selben Gedanken wie vor einem Jahr: Wie konnte die
Tragödie nur geschehen? Wer trägt Schuld? Wer ist verantwortlich?
Zwölf Monate nach dem Desaster von Duisburg gibt es zwar noch immer
viele Fragen, aber leider nur ganz wenige Antworten. Und – das ist
neben all der Trauer zusätzlich unerträglich – es findet sich
niemand, der endlich Verantwortung übernehmen will. 21 Tote und mehr
als 500 Verletzte – die Loveparade 2010, die eigentlich ein »Fest der
Liebe« werden sollte und zum Tanz in den Tod wurde, liegt wie ein
Schatten über Duisburg, über ganz Nordrhein-Westfalen, über ganz
Deutschland. Klar ist fast 365 Tage danach: Die Toten und Verletzten
sind keinem tragischen Unglück zum Opfer gefallen. Nein, diese
Tragödie war kein unabwendbarer Schicksalsschlag, sondern
Menschenwerk. Die Verantwortlichen – namentlich die Polizei, die
Behörden unter Leitung des Duisburger Oberbürgermeisters Adolf
Sauerland (CDU) und der Veranstalter Rainer Schaller – haben
gemeinsam versagt. Es ist das Resultat einer maßlosen Event-Gier,
miserabler Planung und überforderter Sicherheitskräfte. Alle
Entscheidungsträger haben nicht etwa schicksalhaft im Bruchteil einer
Sekunde falsch entschieden, sondern über Wochen einen fatalen Job
gemacht. Jeder hat sich auf den anderen verlassen. Kein einziger hat
die Warnungen, die es im Internet vereinzelt gab, ernst genommen und
thematisiert – auch die Medien nicht. Ein Jahr lang haben sich die
Verantwortlichen gegenseitig die Schuld in die Schuhe geschoben. Es
erwartet niemand, dass ein Einzelner die ganze Last dieser Tragödie
auf sich nimmt, aber es macht wütend und sehr traurig, dass Adolf
Sauerland auch nach mehr als 50 langen Wochen noch immer als
Oberbürgermeister der Stadt Duisburg an seinem Stuhl klebt. Die
ehrlichen Worte des Bedauerns, das gemeinsame Tragen der
Verantwortung und das Trösten der Hinterbliebenen kamen entweder gar
nicht oder aber viel zu spät. Die Entscheidungsträger sind somit in
doppeltem Sinne schuldig: Sie tragen Mitschuld an dem Tod von 21
Menschen und mehr als 500 Verletzten. Und sie haben sich nochmals
schuldig gemacht, weil sie den Angehörigen und Freunden der Opfer
noch immer eine Erklärung schuldig sind. Trotz aller Wut, die sich
mit Trauer mischt, gilt es, den Hinterbliebenen Trost zu spenden –
soweit dies überhaupt möglich ist. Sauerland und Schaller werden das
nicht tun (können), denn sie sind bei der Trauerfeier nicht dabei –
und auch nicht erwünscht. Dieser Sonntag sollte ganz dem Gedenken
gehören. 21 Tote, darunter zwei Opfer aus Ostwestfalen-Lippe, sind
Mahnung genug, damit solch eine Tragödie mit Ansage nie wieder
passiert.

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Westfalen-Blatt
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Andreas Kolesch
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