Martin Kannegiesser, Präsident des
Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, weist die ausländische Kritik am
angeblich zu niedrigen deutschen Lohnniveau zurück. »Dafür fehlt mir
allerdings jedes Verständnis«, sagte er im Interview mit dem in
Bielefeld erscheinenden WESTFALEN-BLATT. »Das Problem sind nicht
wir.« Vielmehr seien die Angebotsstrukturen der Industrien anderer
europäischer Länder oft zu schwach. Kannegiesser: »Wären die
deutschen Löhne höher, käme dies nur der chinesischen Konkurrenz
zugute. Unsere Wettbewerber sitzen heute in Asien und kaum noch in
Europa.« Kritik am deutschen Lohnniveau hatte zuletzt unter anderem
der neue französische Staatspräsident Francois Hollande geübt.
Kannegiesser tritt im Herbst nach zwölf Jahren als Metallpräsident
nicht noch einmal zur Wiederwahl an. In dem Interview rechtfertigt er
das System der Sozialpartnerschaft in Deutschland als Modell für
Europa. Kannegiesser: »Heute sagen viele meiner Kollegen, wenn es den
Betriebsrat nicht gäbe, müsste er erfunden werden. Aus meiner Sicht
gehört er zu den großen Standortvorteilen Deutschlands.«
Tarifpolitik ist aus Sicht Kannegiessers »auch ein Stück
gesellschaftliche Solidarität«. Die Tarifautonomie, nach dem Zweiten
Weltkrieg als Teil des Subsidiaritätsprinzips in die Verfassung
geschrieben, erweise sich als ein Standortvorteil. »Sonst müssten
alles von Politik und Staat geregelt werden«, erklärt der
Gesamtmetall-Chef, der im ostwestfälischen Vlotho ein
Wäschereitechnik-Unternehmen führt. Jetzt schon bestehe diese Tendenz
dort, wo die Tarifautonomie nicht funktioniere. Nach den Erfahrungen
in der deutschen Geschichte lege das Grundgesetz bewusst Wert darauf,
dass die Politik nicht unmittelbar in die Arbeitsbeziehungen
eingreifen könne. Kannegiesser: »Es ist klar, dass die Politik viel
mehr als die Wirtschaft von Opportunitäten gesteuert wird.« Politiker
müssten schauen, wie die Bevölkerungsmehrheit in diesem Augenblick
denke. »Das ist so. Das werfe ich der Politik nicht vor«, sagte
Kannegiesser in dem Interview. Aber für die Wirtschaft – für
Unternehmer und Beschäftigte – wäre es schädlich. »Wie es in den
Betrieben wirklich aussieht, wissen die Beschäftigten und die
Unternehmer. Die Politiker können sie gar nicht kennen, jedenfalls
nicht so gut.«
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