Westfalen-Blatt: zum EU-Umweltbericht

Die dramatischen Überlebensappelle der
Umweltexperten erschüttern seit vielen Jahren. Doch dieselben, die
morgens Parolen wie »Lebe gut – innerhalb der Grenzen, die der Planet
uns lässt« rufen, wehren sich am Nachmittag gegen die Abschaffung der
Glühbirne oder einen Zuschlag von ein paar hundert Euro, weil der
Neuwagen niedrigere CO2-Grenzwerte einhält. Politik kann man nicht
gegen, sondern nur mit den Menschen machen. Und deren Bereitschaft
oder Fähigkeit, den Lebensstil zu ändern, ist begrenzt. Vor diesem
Hintergrund kann die EU mit dem jüngsten Bericht ihrer eigenen
Ökologie-Agentur zwar nicht zufrieden sein, aber immerhin daraus
ablesen, dass die eingeschlagene Richtung stimmt. Luft, Wasser und
Böden sind noch lange nicht nachhaltig repariert, aber wenigstens
nicht so dramatisch weiter geschädigt worden, dass eine Besserung
nicht möglich wäre. Das ist ein schwacher Trost, denn die schlechten
Noten überwiegen auf dem Zeugnis der Umweltexperten. Der EU – also
den Mitgliedstaaten – sind zwar nicht die Hände gebunden. Doch sie
hat sehr wohl ein Problem, die notwendigen politischen Schritte auch
für alle akzeptabel durchsetzen zu können. Bis heute haben die
Verkehrsplaner in vielen Großstädten noch nicht auf die zum Teil
dramatischen Werte bei der Luftreinhaltung reagiert. Und wenn in
Brüssel wieder einmal über neue Grenzwerte für Pkw diskutiert wird,
laufen Hersteller und Zubehör-Industrie Sturm. Weil Klimaschutz
höhere Auflagen bedeutet, die teuer sind und am Ende den Verbraucher
verprellen könnten. Nicht einmal eine ökologische Wende konnte
Deutschland durchsetzen, ohne die energieintensiven Betriebe über
eine kaum verständliche EEG-Umlage zu entlasten. Nein, die 2007 von
der Bundeskanzlerin auf dem Klimaschutz-Gipfel beschworene Verbindung
von Wirtschaftswachstum und grüner Technologie ist nicht bei den
Bürgern angekommen. So lange jeder in seiner Leistung reduzierte
Staubsauger zu einem Eklat führt, weil man nicht versteht, dass auch
im Alltag Energieeffizienz ihren Platz haben muss, wird die Wende
nicht stattfinden. Dabei ist das Problem keineswegs damit zu lösen,
dass man die Politik einfach etwas ansprechender verkauft. Es geht in
vielen Fällen auch um den latenten Verdacht, dass unter dem
Deckmantel ökologischer Kurskorrekturen wirtschaftsfreundliche
Politik gemacht werden soll. Ein Einwand, der genau genommen Unsinn
ist, weil ohne eine umweltbewusste Wirtschaft weder soziale
Sicherheit noch zukunftsfähiger Klimaschutz erreichbar sind. Dabei
stimmt der Einwand, dass man die Erde nicht retten kann, wenn die EU
alleine zum Fleck grüner Glückseligkeit wird. Aber der Seitenhieb auf
USA, China und Schwellenländer hat lange genug als Ausflucht gedient,
um nicht selbst etwas anzufangen, das einen Sog erzeugt. Genau das
ist eingetreten – zweifellos zu schwach und zu gering.

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Andreas Kolesch
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