Westfalen-Blatt: zum Thema Schönheitsoperationen:

Wenn der Staat Schönheitsoperationen bei
Minderjährigen verbieten will, muss man sich fragen, welche Eltern
sie überhaupt erlauben. Wer Kinder operieren lässt, ohne dass eine
medizinische Notwendigkeit besteht, der richtet sein Leben und das
seiner Kinder nach fragwürdigen Maßstäben aus. Die Brüste eines
16-jährigen Mädchens mögen im Vergleich zu seinen gleichaltrigen
Mitschülerinnen noch so klein sein, die Eltern dürfen einer
Vergrößerung niemals zustimmen. Ja, auch dann nicht, wenn ihr Kind
dadurch für den Moment oder sogar jahrelang ein Außenseiter bleibt.
Teenager können gemein sein. Sie können scheinbar gewissenlos mobben.
Jemand, der anders spricht, anders riecht, anders aussieht, wird
möglicherweise seine gesamte Schulzeit in schlechter Erinnerung
behalten. Einfach nur, weil er anders war, und seine Mitschüler unter
»anders« ausschließlich Schlechtes verstanden und ihn deshalb nicht
mitspielen ließen. Du Hexe, Du Flachbrust, Du Milchbubi –
schrecklich, wenn Kinder das von anderen Kindern hören, und
nachvollziehbar, dass sie sich nichts so sehr wünschen wie von diesem
Makel befreit zu werden. Eltern müssen dann stark sein. Stark zu sein
heißt, diesen Wunsch nicht zu erfüllen, dem Kind immer und immer
wieder zu sagen, dass es auch so liebenswert ist, dass nicht die
Nase, die Brust oder der nur zarte Bartwuchs das Problem ist, sondern
die Sichtweise der Anderen. Es vor Mobbing zu schützen, ist ein
nachvollziehbares und dennoch falsches Motiv, der Schönheitsoperation
eines Kindes zuzustimmen. Einige Erwachsene wollen ihre Töchter und
Söhne auch deshalb verändern, weil sie glauben, dass nur ein
äußerlich als schön wahrgenommener Mensch glücklich und erfolgreich
durchs Leben gehen kann. Schönheit in all ihren Facetten – als innere
und äußere Schönheit – ist diesen Mensch fremd. Wie viel lassen sie
sich entgehen! Wie unzufrieden werden sie Zeit ihres Lebens sein,
wenn sie diesem Ideal nicht entsprechen! Wie viel Unzufriedenheit
werden sie erst an ihre Kinder weitergeben . . . Niemand kann sich
dem Anblick eines – aus seiner Sicht – schönen Menschen entziehen,
niemand muss sich diesem Anblick entziehen. Schönheit aber nur auf
das Äußere zu reduzieren, wo sich das Äußere doch ohnehin verändert,
ist engstirnig, kurzfristig, dumm – und macht einsam. Wer wird sich
auf Dauer in einer Gemeinschaft wohlfühlen, in der streng definierte
Schönheit das Maß aller Dinge ist? Niemand, genau. Und deshalb wird
das Kind mit dem Höcker auf der Nase auch Kinder finden, denen dieser
Höcker vollkommen egal ist. Eltern haben eine Fürsorgepflicht. Wenn
sie dieser Fürsorgepflicht nicht nachkommen können oder wollen, muss
der Staat eingreifen. Eine 16-Jährige darf ihr Selbstwertgefühl nicht
aus einer Brustvergrößerung speisen. Schönheit ist die Garnitur, aber
nicht die Essenz des Lebens.

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Andreas Kolesch
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