Westfalenpost: Adré Schweins zum Jahreswechsel 2014/2015

Was ist angemessen in einer frostigen
Silvester-Nacht: der kühle Blick zurück auf 2014 – oder ein
warmherzig hoffnungsvoller Ausblick? Nach einem Jahr, in dem
undenkbare Machenschaften in Flüchtlingsunterkünften für Schlagzeilen
sorgten, in unserer Gesellschaft Misstrauen sowie Diskussionen über
das Miteinander an Hitzigkeit zunahmen, voll besetzte Flugzeuge
verschwanden oder abgeschossen wurden, da drückt neben den vielen
strukturellen Problemen im Inland auch dies: Wer hätte gedacht, dass
Krieg in Europa wieder zu einem beunruhigenden Thema werden würde?
Die Annexion der Krim durch Russland sowie die Kämpfe in der
Ostukraine haben dem Kontinent eine Kälte aufgezwungen, die präsent
bleibt. Russlands Präsident Putin ist mit seinem nationalistischen
Agieren für die Europäische Union eine Herausforderung, die nur mit
diplomatischem Geschick zu meistern sein wird.

Der neue Kalte Krieg

Der neue alte Begriff vom Kalten Krieg zwingt uns zurück in eine
europäische und deutsche Vergangenheit, die im symbolträchtigen Jahr
2015 eigentlich allein dankbar und zufrieden hätte betrachtet werden
sollen. Am 8. Mai liegt das Ende des Zweiten Weltkrieges 70 Jahre
hinter uns. Sieben Jahrzehnte, die die Bundesrepublik Deutschland als
ein Geschenk wahrnehmen darf. Unvergessen sind die Worte von
Bundespräsident Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag. Dies nicht
nur, weil er von einem „Tag der Befreiung“ sprach. Oder weil die
israelische Botschaft in Bonn seine Gedanken als „Sternstunde der
deutschen Nachkriegsgeschichte“ adelte. Nein, die Wünsche von
Weizsäckers, gerichtet an die junge Generation, haben nichts von
ihrer Intensität verloren: „Lassen Sie sich nicht hineintreiben in
Feindschaft und Hass gegen andere Menschen. Lernen Sie, miteinander
zu leben, nicht gegeneinander.“

Die Bedeutungsschwere

Diese Aufforderung ist für uns Verpflichtung im Inneren. Nicht
erst seit Pegida-Empörung und Religionsdebatten. Auch die
Weltgemeinschaft inklusive unserer Bundesrepublik, die die
vergangenen 70 Jahre beispielhaft gut genutzt hat bis hin zur
friedlichen Wiedervereinigung, muss einem solchen Ziel gerecht
werden. Die europäischen Nachbarn schauen auf unser Land und unsere
Bundeskanzlerin, wenn nach Lösungen für die Krisen – in erster Linie
in Osteuropa – gesucht wird. Bezeichnend, dass die englische „Times“
Angela Merkel zur Person des Jahres gekürt hat. Es dokumentiert die
Bedeutungsschwere unseres Landes, die Englands Eiserne Lady Margaret
Thatcher vor 25 Jahren, kurz vor der Wiedervereinigung, zu verhindern
gesucht hatte. Mit der Europa-Verantwortung gilt es klug und mit
ruhiger Hand umzugehen. Es wird eines der großen außenpolitischen
Themen Deutschlands bleiben.

Neuen Anforderungen stellen

Die Frage der europäischen Stabilität wird auch unsere Region
weiter intensiv beschäftigen. Im Land der Weltmarktführer hinterlässt
die Unruhe im Osten Spuren. Dass es mehr nicht werden wird, dafür
sollte die krisenfeste Struktur der Unternehmen sorgen. Kreativität,
Flexibilität und die Neugierde, sich einer sich verändernden
Gesellschaft sowie neuen Anforderungen zu stellen – das sind die
Parameter unserer Leistungsstärke. In den Städten und Gemeinden gilt
es, die Aufgaben unter immer komplizierteren Rahmenbedingungen zu
lösen. Gemeinsame interkommunale Lösungen können in einzelnen
Bereichen helfen. Zu weiträumiges Denken indes engt ein. Auf der
Suche nach dem Großen, dem Außerordentlichen, dürfen wir das Kleine
nicht vergessen. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal, die DNA
unseres Begriffs Heimat. Auch im Jahr 2015.

Pressekontakt:
Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160