Westfalenpost: Alle Vorurteile bestätigt Von Harald Ries

Kommt ein Mann zum Arzt. Ohne Beschwerden, aber mit
einer Bitte. Ob der Herr Doktor nicht öfter das tolle Medikament der
Firma Y verordnen könne? Er lasse mal ein paar Proben da. Und einen
Scheck. Oder eine Einladung. Und es sind nicht nur Pharmavertreter,
die sich etwas erhoffen, sondern auch Apotheker, Optiker,
Physiotherapeuten, Kranken- oder Sanitätshäuser, die mit verbotenen
Prämien und Provisionen locken. Natürlich wird ein gewissenhafter
Mediziner seinen Patienten das verschreiben, was er für das
Wirksamste hält und sie dorthin überweisen, wo er die beste
Behandlung erwartet. Das verlangt die ärztliche Ethik. Die gilt für
alle. Aber wenn ein schwarzes Schaf doch einmal Schmiergeld annimmt,
gibt es solche und solche: Ein Krankenhausarzt kann wegen
Bestechlichkeit verurteilt werden, ein Freiberufler mit eigener
Praxis nicht.

Als der Bundesgerichtshof das im Juni deutlich machte, war die
Empörung groß. Getan hat sich seitdem nichts. Dass die Koalition
einen Antrag der SPD zur Verschärfung des Strafrechts ablehnte,
entspricht dabei noch den üblichen Ritualen. Aber nun haben die
Krankenkassen, an denen die Kosten der Korruption hängenbleiben,
einen konkreten Gesetzentwurf vorgelegt, und auch die CDU macht
Druck. Nur Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hält sich
zurück und lässt noch prüfen. Was eigentlich? Die Kassenärztliche
Bundesvereinigung hat gerade in einem Leitfaden klargestellt, was
erlaubt oder verboten ist. Allerdings ist kein Fall bekannt, in dem
das Berufsrecht angewandt wurde. Die ärztliche Selbstorganisation
kann oder will das Problem nicht lösen. Und die bei Ärzten beliebte
FDP auch nicht? Nur mit einer schnellen und klaren Reaktion könnte
Bahr den Vorwurf der Klientelpartei widerlegen. Andererseits: Wer
will schon die letzten Freunde verlieren?

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