Nur mal als Gedankenspiel: Vor den vielen deutschen
Rentnern in Kleinasien spricht die deutsche Kanzlerin Merkel, weil
sie eine Wahl zu bestehen hat. Und sie ermuntert die deutschstämmigen
Wahltürken, stolz auf die großen deutschen Investitionen zu sein –
den Flughafen in Berlin beispielsweise. Oder die Brücke über den
Fehmarnsund. Es wäre ein bizarrer Auftritt, und innenpolitisch wäre
der Kanzlerin eine hämische Kommentierung sicher.
Offenbar glaubt der türkische Ministerpräsident Erdogan aber, er
könne nach elf Jahren an der Macht seiner Regierungspartei AKP die
Mehrheit mit dem Argument sichern, türkische Frauen dürften nun auch
mit Kopftuch studieren. Die mit „Familientreffen“ überschriebene
Inszenierung im Tempodrom spendete ihm Beifall dafür, dass er die
Korruptionsvorwürfe an sein Kabinett und seine Familie mit der
Bemerkung widerlegen wollte, die unbestreitbaren wirtschaftlichen
Erfolge der vergangenen Jahre seien nicht allein mit Bestechung
erreichbar gewesen. Das mag sogar stimmen. Nur: Dass sich beim
beeindruckenden Wirtschaftswachstum der Türkei auch die Regierung
unlauter bereichert hat, kann er damit nicht widerlegen. Und die
Freiheit, ein Kopftuch zu tragen, ist immer noch etwas anderes als
Demokratie. Das mussten wir bei den Protesten im Gezi-Park lernen.
Ein bizarrer Auftritt, geprägt von Großmannssucht.
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