Wollen die Europäer wegen Chlorhähnchen,
Gen-Pflanzen und Hormon-Rindern auf Wirtschaftswachstum und
hunderttausende zusätzlicher Arbeitsplätze verzichten? So stellt es
EU-Handelskommissar De Gucht dar, der das geplante
Freihandelsabkommen zwischen EU und USA führend verhandelt. Aber das
ist nicht die Alternative. Entscheidend ist nicht einmal der
kulturelle Unterschied zwischen Europa, das mehr auf die Risiken
schaut, und Amerika, das stärker die Chancen sieht. Zentral ist
vielmehr die Frage, wer die Normen setzt in unserer Welt: die Staaten
als Vertreter der Bürger und der Verbraucher oder die Wirtschaft.
Der Kommissar hat sich wohl für die zweite Seite
entschieden. Sonst würde nicht im Geheimen verhandelt, sonst würde er
sich nicht bemühen, Abstimmungen in den nationalen Parlamenten zu
verhindern, sonst wäre der Versuch, aus Gründen des
Investorenschutzes staatliche Justiz zugunsten von Schiedsgerichten
auszuschalten, die hinter verschlossenen Türen tagen, kein Kernstück
der Pläne. Konzerne könnten Staaten auf Schadensersatz verklagen,
wenn sie beispielsweise durch Arbeits-, Verbraucher- oder
Umweltschutz ihre Gewinnerwartungen beeinträchtigt sehen. Dagegen hat
sich jetzt Wirtschaftsminister Gabriel ausgesprochen. Das dürfte
seinem Nebenjob als SPD-Vorsitzender geschuldet sein, denn das
Freihandelsabkommen hat sich zum Thema im Europawahlkampf
entwickelt.
Hoffentlich erlischt danach die Aufmerksamkeit
nicht wieder. Denn so hilfreich der Abbau von Zöllen wäre, so wenig
wir für alle Industrieprodukte doppelte Prüfungen brauchen:
Demokratisch beschlossene Regeln müssen vor Wirtschaftsinteressen
stehen. Also lieber Hähnchen mit weniger Antibiotika als mit mehr
Chlor.
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