Westfalenpost: Geteilte Macht Von Wilfried Goebels

Braucht die Republik auf Dauer einen doppelten
Regierungssitz? Die Bonn-Befürworter geraten zunehmend in die
Minderheit, das ist dem SPD-Kanzlerkandidaten nicht verborgen
geblieben. Anders ist die vom Bonner Peer Steinbrück neu entfachte
Debatte kaum erklärbar. Trotzdem spricht nicht nur die Vertragstreue
zum Bonn-Berlin-Gesetz für zwei Standorte.

Als Konsequenz aus der deutschen Geschichte gilt das
Bundesstaatsprinzip. Keine zentralistische Macht, dafür ein föderales
System, in dem die Länder gemeinsam mit dem Bund den politischen Kurs
bestimmen. Das Bonn-Berlin-Gesetz fußt auf der Idee der Arbeits- und
Aufgabenteilung. Wenn Steinbrück die politische Entscheidungsmacht in
Berlin konzentrieren will, verstößt er gegen Buchstaben und Geist des
Gesetzes.

Auch das gern genutzte Argument der Kosten scheitert an der
Realität. Wer die sechs Bonner Ministerien nach Berlin umsiedeln
will, wird mehr als fünf Milliarden Euro in die Hand nehmen müssen.
Da sind die zehn Millionen Euro Mehraufwand für den doppelten
Regierungssitz eine sparsame Lösung.

Das Risiko für Bonn liegt deshalb weniger im kompletten Umzug als
im schleichenden Prozess der „Berlinisierung“. Höchste Zeit, dass NRW
die Bonner Rechte einfordert. Die ostdeutschen Länder zeigen beim
Solidarpakt, wie ein Aushöhlen verhindert werden kann.

Der Verbleib von Regierungsfunktionen in NRW ist mehr als
Lokalpatriotismus. Es ist das Symbol, dass Berlin nicht alles allein
entscheiden kann. Deutschland ist mit dem Modell der geteilten Macht
gut gefahren. Es gibt keinen Grund, die Machtachse zu verschieben.

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