Überraschend ist das Tempo, nicht der Vorgang an
sich: Weil Schweden Grenzkontrollen zu Dänemark einführt,
kontrolliert Dänemark nun an der deutschen Grenze. Für beides kann
man Verständnis haben: Schweden hat pro Kopf der Bevölkerung noch
mehr Flüchtlinge aufgenommen als Deutschland und fürchtet nun, es
nicht mehr zu schaffen. Und Dänemark, wo Rechtspopulisten die
Regierung tolerieren, will verhindern, dass Asylsuchende dort
stranden. Also bleiben sie wohl in Deutschland. Bis Bayern dicht
macht, dann Österreich und dann alle. Bis zur Türkei. Das nennt man
Domino-Effekt. Es wäre nicht nur das Ende humanitärer europäischer
Ideale, sondern auch dessen, wofür die EU in der täglichen Praxis
steht, für den gemeinsamen Wirtschafts- und Lebensraum. Die
Öresund-Region gilt als angehendes Silicon Valley Skandinaviens. Wenn
die Bahnfahrt von Kopenhagen nach Malmö statt 34 Minuten nun mehr als
doppelt so lange dauert und die Züge nur halb so oft fahren, leidet
die Attraktivität enorm. Das gilt für alle Regionen, in denen über
Grenzen gependelt wird. Also für weite Teile Deutschlands. Noch mehr
Menschen werden dann fragen: Wozu überhaupt Europa? Briten wollen
weg, Ungarn und Polen stünden vor dem Rausschmiss, nähme die EU ihre
Werte ernst, Rumänien und Bulgarien wurden zu früh akzeptiert, die
Deutschen wollten auch den Euro nie. Also macht jeder wieder sein
eigenes Ding? Dazu sind wir erstens zum Nutzen aller zu stark
zusammengewachsen und zweitens leider einzeln zu unbedeutend
geworden. Europa muss seine Probleme gemeinsam lösen, auch wenn es in
der Flüchtlingskrise derzeit nicht nach schnellen Erfolgen aussieht.
Alternativen gibt es immer. In diesem Fall allerdings keine
vernünftigen.
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