So einig waren sich London und Brüssel lange nicht
mehr: Die Erleichterung über den Ausgang des Referendums in
Schottland kommt von Herzen. Aber weder in London noch in Brüssel
kann man sich leisten, das Thema abzuhaken. Der Anspruch auf mehr
Eigenständigkeit ist an der letzten Hürde hängen geblieben. Diesseits
staatlicher Souveränität ist er ein Mehrheitsanliegen, dem die
Politik zu entsprechen hat, nicht nur in Schottland. Das Königreich
muss föderaler werden. Die EU wird sich nicht damit begnügen können,
dafür die Daumen zu drücken. Auf Rest-Europa kommen Aufgaben zu,
denen es sich bislang nicht stellen mochte. Die schottischen
Nationalisten haben eine breitere Volksbewegung in Gang gebracht als
irgendein politisches Projekt in Europas jüngerer Vergangenheit. Der
erste Dominostein ist nicht gefallen, aber er hat mächtig gewackelt.
Die EU muss sich mit dem beunruhigenden Phänomen Regionalismus zu
befassen und dafür gemeinsame Prinzipien entwickeln. Europa ist nicht
mehr allein eine Veranstaltung der Mitgliedsstaaten, sondern auch
eine Gemeinschaft der Bürger. Was heißt das für deren Recht auf
Selbstorganisation? Wo fängt es an, wo endet es? Was würde daraus,
falls die Briten sich 2017 entscheiden, die EU zu verlassen – gegen
den Wunsch einer großen Mehrheit der Schotten?
„Better together“ war das Motto der Kampagne für den Verbleib des
Nordens im Königreich. Dass es „gemeinsam besser“ geht, ist indes
weniger eine Tatsachenfeststellung als ein Versprechen. Es muss nun
eingelöst werden, durch die EU ebenso wie durch die Verantwortlichen
in London. Den Schotten gebührt unser Dank, dass sie es auf die
Tagesordnung gesetzt haben.
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