Westfalenpost: Spezielle Familienförderung Von Harald Ries

Man würde die Politiker so gerne verteidigen. Weil
es schwierig ist, Kandidaten für Kommunalparlamente zu finden, weil
die wenigsten Kritiker bereit wären, ihr Verhalten so öffentlich
diskutieren zu lassen, weil die Bezahlung im Verhältnis zur
zeitlichen Belastung nicht gar so üppig ist. Und weil irgendwer den
Job schließlich machen muss.

Aber was jetzt in Bayern ans Licht kommt, macht es dem
Wohlwollendsten schwer. Es sind ja nicht nur CSU-Vertreter, denen die
spezielle Familienförderung von Ehefrauen und Geschwistern wichtiger
ist als ihr Ruf. Auch Abgeordnete der SPD, der Grünen und der Freien
Wähler haben Kinder, Mütter, Schwäger und Nichten auf Staatskosten
beschäftigt.

Was so schlimm daran ist, wenn Verwandte Kopien machen, ans
Telefon gehen oder bei einer Rede helfen? Dass sie dafür bezahlt
werden. Und das ist 31 bayerischen Landtagsabgeordneten und mehreren
Kabinettsmitgliedern nicht einsichtig? Wahrscheinlich jetzt schon.
Aber sie haben es gemacht, weil es andere auch so gemacht haben. Weil
es schon immer so war. Weil es legal war.

In diesem fehlenden Verbot liegt der Skandal. Das ist der
Bayern-Faktor: Politiker sind nicht raffgieriger als andere Menschen
auch, aber sie brauchen klare Regeln. Bestimmte CSU-Praktiken sind in
jahrzehntelang SPD-regierten Ruhrgebietsstädten auch nicht unbekannt.
Gewesen. Hoffentlich.

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