Noch immer, auch nun zur Hälfte seiner Amtszeit: Man
kann über diesen Bundespräsidenten nur staunen. An seine
außergewöhnliche Biografie haben wir uns gewöhnt. Auch sein
souveränes Auftreten und sein politischer Instinkt sind präsidialer
Alltag, und auch das erstaunt, gerade weil er keine Karriere als
Spitzenpolitiker hinter sich hat. Seinen Reden hört man gerne zu, sie
sind geschliffen, originell und gedankenanregend. Nun gibt es
Gegenwind von seinen Ex-Kollegen, evangelischen Pfarrern aus dem
Osten Deutschlands. Zuvor war er gar beschimpft worden als
„Kriegstreiber“, eine peinliche Entgleisung der Linken und ein
Tiefpunkt der demokratischen Debattenkultur. Aber was ist es denn
eigentlich, das den Widerspruch hervorruft? Gauck sagt, dass die
Deutschen der Größe ihrer Bedeutung entsprechend Verantwortung
übernehmen müssen – auch militärisch. Das hören wir nicht gern. Es
war kuscheliger, den Amerikanern Solidarität zu versprechen und dann
ein paar Awacs-Aufklärungsflugzeuge zu schicken. Nun also regelmäßig
Kampfeinsätze? Moralische Rigoristen sind in der Politik schlechte
Berater, weil sie aus Prinzipientreue das Nötige und Hilfreiche
verhindern. So lange es das Böse auf der Welt gibt, wird es Waffen
geben müssen – nur bitte in den richtigen Händen. Und wer dem
zustimmt, kann nicht generell gegen Rüstungsindustrie und
Kampfeinsätze sein. Auf einem ganz anderen Blatt steht, ob der
einzelne Kampfeinsatz politisch, diplomatisch, strategisch und
langfristig opportun ist. Aber ein blanker Pazifismus kann keine
Staatsraison sein. Sonst müssten wir auch die Polizei entwaffnen. Und
daher hat Gauck recht.
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