Westfalenpost: zu Merkel in Washington

Angela Merkel kommt als eine Kanzlerin nach
Washington, die den Amerikanern eines voraus hat: Sie ist
Regierungschefin eines Landes, das wie kein anderes die
Weltwirtschaftskrise vorbildlich überstanden hat. Deshalb geizt Obama
nicht mit Hochachtung. Der US-Präsident bläst zur Charmeoffensive.
Mit der höchsten zivilen Auszeichnung, die Amerika mit der
Freiheitsmedaille zu vergeben hat, ehrt Obama die deutsche
Regierungschefin in ganz besonderer Weise. Seine Wertschätzung fällt
so üppig aus, weil selbst der mächtigste Staatsmann der Welt darauf
bedacht sein muss, die traditionell enge Freundschaft zu Deutschland
zu verbessern. Dazu besteht durchaus Anlass. Die Chemie zwischen
Obama und Merkel stimmte bislang nicht wirklich. Von enger
Freundschaft wie etwa zwischen Kohl und Bush kann nicht die Rede
sein. Die transatlantischen Beziehungen sind in Unordnung geraten.
Nicht nur die Wikileaks-Affäre hat der Diplomatie zwischen den beiden
Partnern geschadet. Es ist besonders Berlins fragwürdige Enthaltung
beim Libyen-Einsatz, die in Washington für Verstimmung gesorgt hat.
Das zu Recht, denn bei dieser militärischen Mission war Bündnistreue
gefordert. Nicht ohne Grund verzichtete Obama deshalb bei seiner
vergangenen Europareise auf einen Besuch in Berlin. Nun aber schlägt
der US-Präsident ein neues Kapitel in den deutsch-amerikanischen
Beziehungen auf. An große Ehrungen knüpft er große Erwartungen. Den
Preis, den Merkel für die hohe Auszeichnung zahlen muss, ist
Deutschlands Hilfe in Libyen. Diese ist nun gefordert.

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