Herbert Diess steht unter hohem Druck, die Transformation von
Volkswagen zu einem Mobilitätsdienstleister für Zukunftstechnologien in der
laufenden Dekade zu bewerkstelligen. Der Schritt des Konzernchefs, die von der
Dieselmanipulationsaffäre geschwächte Tochter Audi stärker in seine
Gesamtstrategie einzubinden, ist zwar gewagt, aber folgerichtig.
Es ist deshalb ein Wagnis, da der Ingolstädter Premiumhersteller mit der ihm
angedachten Schlüsselposition für Forschung und Entwicklung im
VW-Mehrmarkenverbund eine Schwerpunktaufgabe übernimmt, die den designierten
Audi-Chef Markus Duesmann vor gewaltige Herausforderungen stellen wird. Denn
schließlich befindet sich Audi mit dem Abbau von 9500 Stellen mitten in einer
Restrukturierung. In einer solch schwierigen Phase können zusätzliche Aufgaben
ein Unternehmen schnell überfordern.
Doch Diess hat keine Alternative, will er rasch und erfolgreich sein Konzept
umsetzen, um im Wettstreit mit den Konkurrenten um die technologische
Führerschaft auf den Gebieten Elektroautos und automatisiertes Fahren Schritt
halten zu können. Dass er dabei auf eine Wiederbelebung von Audi setzt, ist
nachvollziehbar. Schließlich agierte die Tochtergesellschaft in besseren Zeiten
bereits als Technologieschmiede des Mutterkonzerns aus Wolfsburg.
Unter der Regie des früheren Firmenpatriarchen Ferdinand Piëch hatte sich Audi
im VW-Reich als Primus hochgearbeitet. Diesen Status verlor das Unternehmen aber
mit der Dieselbetrugsaffäre. Audi galt als Kern der Manipulationen bei VW. Der
Werbeslogan des kleineren BMW-Rivalen „Vorsprung durch Technik“ verblasste. Der
Rückstand bei der Umstellung auf das moderne Kraftstoffverbrauchs- und
Abgasprüfverfahren WLTP legte die Schwächen von Audi offen.
In dieser Gemengelage ist der Schritt von Diess auch ein Versuch, bei der
Konzerntochter an Piëch anzuknüpfen. Dass der VW-Chef bei den Oberbayern die neu
geschaffene Software-Konzerneinheit andockt, lässt aufhorchen. Schließlich
entscheidet sich aus Sicht des Konzern-CEO die Zukunft der VW-Gruppe darin, ob
sich das eigene Software-Betriebssystem für Autos im Markt durchsetzt. Der
Höhenflug der Aktie des Herausforderers Tesla zeigt, dass Investoren zunehmend
darauf achten, wie überzeugend die Autobauer in den Zukunftsfeldern aufgestellt
sind.
In diesem Überlebenskampf erweist sich die Börsennotierung von Audi als
unzeitgemäß. Unter Kosten- und Effizienzaspekten kann sich VW diese Extravaganz
nicht mehr leisten.
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