Vielen gilt Julian Assange als Held, weil er
höchst umstrittenes Handeln der USA ans Tageslicht brachte. Ein
Heiliger ist er mitnichten. Seit fast zwei Jahren hat er sich in der
Botschaft des zweifelhaften Staates Ecuador verschanzt, um eine
Auslieferung zu umgehen. Doch der einst tollkühne Desperado wirkt
wirr, gebrochen, wie ein alter Mann. Nun kündigt der
Wikileaks-Gründer an, die Botschaft verlassen zu wollen. Ein
rätselhafter Auftritt. Der Durchbruch ist das nicht. Assange will
sich angeblich behandeln lassen. Doch er beharrt darauf, nicht
ausgeliefert zu werden. Ob er damit bei der britischen Justiz
durchkommt, ist fraglich. Immer enger scheint er sich im Netz von
Verschwörungstheorien zu verheddern. Vielleicht liebt er sein neues
Image als tragischer Held, als moderner Don Quichotte, den der
aussichtslose Kampf gegen Windmühlenflügel zum Mythos machte.
Vielleicht will er sich auch nur in Erinnerung rufen, nachdem Edward
Snowden ihn den Rang in den Schlagzeilen abgelaufen hat. Fakt ist: Er
sollte sich endlich der Vernehmung in Schweden wegen angeblicher
sexueller Vergehen stellen. Ob diese Vorwürfe politisch motiviert
waren muss die Justiz klären. Seine Sorge, in den USA zum Tode
verurteilt zu werden, ist nicht unbegründet. Doch kein EU-Land darf
Menschen ausliefern, denen die Todesstrafe droht. Claudia
Kramer-Santel
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