Siemens hat dem Kapitalmarkt ein grottenschlechtes erstes
Quartal abgeliefert. Der Umsatz auf vergleichbarer Basis ist erstmals seit mehr
als vier Jahren gesunken. Die operative Marge ist sogar nur noch einstellig.
Zwar ist diese Größe mit der Vergangenheit schwerlich vergleichbar, weil Siemens
in den vergangenen Jahren mehrfach die Abgrenzungen geändert hat. Doch das
letzte Mal, als die operative Rendite des Kerngeschäfts in einem Quartal
niedriger ausgewiesen wurde, musste ein Vorstandsvorsitzender gehen. Die
Kapitalrendite hat sogar ein Niveau erreicht, das so indiskutabel ist, dass der
Siemens-Vorstand das Wort möglichst gar nicht mehr erwähnt.
Was aber macht der Aktienkurs? Er steigt. Das Plus ist zwar marginal. Trotzdem
zeigt die Reaktion, dass die Investoren keineswegs erschrocken sind. Und dies,
obwohl die Analysten Mitte Januar noch einen operativen Gewinn prognostiziert
hatten, der im Schnitt ein Viertel über dem nun gemeldeten Wert lag. Was hat
dies zu bedeuten?
Die Reaktion der Anleger unterstreicht, welchem Wandel sich das Unternehmen
unterwirft. Denn die Gewinnerwartungen der Analysten waren bei Vorlage der
Siemens-Zahlen schon Schnee von gestern. Zwischenzeitlich hatten der
Windkraft-Spezialist Siemens Gamesa und das Medizintechnik-Unternehmen Siemens
Healthineers ihre Zahlen präsentiert. Sie fielen so schlecht aus, dass auch die
Aktie der Siemens AG einige Tage lang absackte.
Die Enttäuschungen waren also am Mittwoch schon verarbeitet. Nun zählte eher,
dass Siemens der widrigen Konjunktur zum Trotz weltweit Aufträge einsackte, das
Nettoergebnis durch Sondergewinne heben konnte und im Software-Geschäft glänzte.
Dies allerdings ändert nichts daran, dass die Marge im Quartal niedrig war. Dies
erscheint trotz aller Vorabwarnungen durch den Vorstand besonders bemerkenswert,
weil das vorherige Quartal fulminant gut war. Wie auch immer: Der Konzern muss
im Jahresverlauf kräftig drauflegen. Die Prognose ist ohnehin nur dann haltbar,
wenn die Coronavirus-Epidemie China nicht längere Zeit lähmt.
Die Zahlen unterstreichen: Der Blick der Anleger auf Siemens beginnt sich zu
ändern. Sollte die Notierung von Siemens Energy gelingen, rücken stärker als
bisher die einzelnen Gesellschaften in den Fokus. Siemens ist im Übergang. Dies
gilt auch für den Vorstandsvorsitz. Für die Entlastung von Joe Kaeser stimmten
trotz allen öffentlichen Lobes so wenig Aktionäre wie nie in seiner Amtszeit.
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