Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Korruptionsverdacht im Gesundheitswesen Der Bock als Gärtner PETER STUCKHARD

Die Studie der Universität Halle-Wittenberg hat
keine einzige Tatsache zutage gefördert. Die Forscher haben nämlich
einen Kunstgriff angewandt, um das von ihnen vermutete Dunkelfeld der
Korruption unter Ärzten, Kliniken und anderen Leistungserbringern zu
erhellen. Herausgekommen ist eine Sammlung von Einschätzungen,
Meinungen und Vorurteilen. Wenn 14 Prozent der Ärzte, telefonisch
befragt, zu Protokoll geben, Zuweisungen von Patienten gegen Entgelt
seien gängige Praxis, dann hat diese Aussage ungefähr den gleichen
Wert wie die Feststellung, dass die Welt schlecht sei. Natürlich
hätte sich hier die Frage anschließen müssen, ob der Befragte in
dieser Hinsicht denn selbst auch schon einmal gefehlt habe. Man darf
sicher sein, der Prozentsatz korrupter Ärzte hätte augenblicklich
gegen null tendiert. So aber eignet sich die Studie als Waffe im
ewigen Kampf um die Ressourcen im Gesundheitswesen. Natürlich ist es
kein Zufall, dass sie pünktlich zum Deutschen Ärztetag veröffentlicht
worden ist. Sie könnte allerdings zum Bumerang für die Krankenkassen
werden. In genau dem Bereich, den die Studie als Dunkelfeld
bezeichnet. Offensichtlich sind auch gesetzliche
Krankenversicherungen nicht durchweg Unschuldslämmer, die
ausschließlich das Wohl ihrer Versicherten im Auge haben. Anders kann
man den absolut glaubwürdig geschilderten Versuch, einen Arzt für die
Teilnahme an einem Versorgungsvertrag zu ködern, nicht
interpretieren. Der Anstifter ist kein Stück weniger korrupt als der
Täter. Wie immer und überall, wo es ums Geldverdienen mit mehr oder
weniger Anstrengung geht, gilt: Nicht alle Beteiligten halten sich an
die Spielregeln. Für diese banale Erkenntnis hätte es keiner Studie
bedurft. Sie in Auftrag zu geben kann man durchaus auch als
Missbrauch von Versichertengeldern werten.

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