Erfurt, 10.05.2018 – Der 121. Deutsche Ärztetag in
Erfurt hat in seiner gesundheits- und sozialpolitischen
Generalaussprache den Leitantrag des Bundesärztekammer-Vorstands
einstimmig angenommen.
Die Entschließung im Wortlaut:
Die Freiberuflichkeit des Arztes und die damit verbundene
Therapiefreiheit sind tragende Säulen der Gesundheitsversorgung in
Deutschland. Deshalb darf diese Freiberuflichkeit weder durch
staatsdirigistische Eingriffe noch durch Interventionen der
EU-Kommission in Frage gestellt werden. Ärztliche Selbstverwaltung
ist Ausdruck der Freiberuflichkeit.
Vielfältige Regulierungen haben jedoch die
Gestaltungsmöglichkeiten der Selbstverwaltung erheblich beschnitten.
Stattdessen beauftragt der Staat den Gemeinsamen Bundesausschuss
(GBA) immer häufiger als untergesetzlichen Normgeber, die Versorgung
bis in die Patienten-Arzt-Beziehung hinein zu steuern und
Versorgungsstrukturen zu schaffen, die mehr und mehr an ökonomischen
Vorgaben ausgerichtet sind. Darüber hinaus ist ein deutlicher
Kompetenzzuwachs der Bundesländer in originären
Zuständigkeitsbereichen der Selbstverwaltungen zu verzeichnen. Das
manifestiert sich aktuell im Bereich der Bedarfsplanung durch neue
Antrags- und Beratungsrechte der Länder.
Der 121. Deutsche Ärztetag 2018 fordert die Bundesregierung auf,
ihrer im Koalitionsvertrag formulierten Selbstverpflichtung
nachzukommen, nach der sie sich für die freiheitliche Berufsausübung
im Gesundheitswesen einsetzen will. Bund und Länder sind
aufgefordert, der Selbstverwaltung den notwendigen Handlungsspielraum
zu geben, den sie für die Ausgestaltung eines vernetzten
sektorenübergreifenden Gesundheitswesens braucht. Dabei sollten die
Bundesärztekammer und die Landesärztekammern stärker als bisher
eingebunden werden. Nur so kann eine bürgernahe ärztliche Versorgung
der Patientinnen und Patienten auf hohem Niveau gewährleistet werden.
Ärztliche Expertise in Reformkommissionen einbeziehen Der 121.
Deutsche Ärztetag 2018 erkennt an, dass die Koalition bei Fragen der
künftigen Ausgestaltung der Vergütungssystematik von übereilten
Festlegungen absieht und zunächst in einer wissenschaftlichen
Kommission die medizinischen, rechtlichen und wirtschaftlichen
Aspekte einer solchen Reform analysieren und Vorschläge erarbeiten
lässt. Wiederholt hatten Deutsche Ärztetage festgestellt, dass sowohl
der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) als auch die Gebührenordnung
(GOÄ) für Ärzte reformiert werden müssten. Nach 30 Jahren politischen
Stillstands in der GOÄ-Reform hat die Bundesärztekammer selbst die
Initiative ergriffen und gemeinsam mit dem Verband der Privaten
Krankenversicherung (PKV-Verband) und der Beihilfe entscheidende
konzeptionelle Vorarbeiten für eine Modernisierung der
Vergütungssysteme geleistet. Der 121. Deutsche Ärztetag 2018 fordert
deshalb das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf, die
Bundesärztekammer mit ihrer medizinisch-wissenschaftlichen Kompetenz
sowie ihrem betriebswirtschaftlichen Know-how in
Gebührenordnungsfragen direkt und unmittelbar an der
wissenschaftlichen Kommission zu beteiligen. Die Einrichtung dieser
Kommission darf aber nicht dazu führen, dass sich die Inkraftsetzung
der verabschiedungsreifen GOÄ weiter verzögert.
Der 121. Deutsche Ärztetag 2018 fordert ebenso eine Beteiligung
der Bundesärztekammer an der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur
sektorenübergreifenden Versorgung. Ohne den Sachverstand derer, die
Versorgung ambulant, stationär und sektorenübergreifend sicherstellen
und um die Schnittstellenproblematik wissen, kann diese Diskussion
nicht zielführend sein.
Stabile ökonomische Bedingungen für sichere Versorgung in Klinik
und Praxis
Für den ärztlichen Bereich sind neben den im Koalitionsvertrag
angelegten Maßnahmen weitere Initiativen zur Sicherung stabiler
ökonomischer Rahmenbedingungen notwendig. In einem ersten Schritt ist
die extrabudgetäre Vergütung ärztlicher Grundleistungen im ambulanten
Bereich zu realisieren, um sukzessive zu einem entbudgetierten System
mit festen sowie kostendeckenden Preisen für ärztliche Leistungen zu
kommen. Die von der Bundesregierung geplante Ausweitung der
Mindestsprechstundenzeiten muss entsprechend gegenfinanziert werden.
Für den stationären Bereich fordert der 121. Deutsche Ärztetag 2018
Mindestpersonalvorgaben sowie die Refinanzierung von
Tariflohnsteigerungen nicht nur für die Pflege, sondern auch für den
ärztlichen Dienst. Schließlich fordert der 121. Deutsche Ärztetag
2018 die Bundesländer eindringlich dazu auf, endlich ihren
Investitionsverpflichtungen für die Krankenhäuser nachzukommen.
Notwendig ist eine gemeinsame Finanzierung von Bund und Ländern über
zusätzlich mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr, denn nur stabile
ökonomische Rahmenbedingungen können eine flächendeckende, qualitativ
hochwertige Versorgung in Klinik und Praxis dauerhaft sichern.
Länder-Verantwortung für Finanzierung des Medizinstudiums Angesichts
des steigenden Bedarfs an Arztstunden begrüßt der 121. Deutsche
Ärztetag 2018, dass sich die Regierungskoalition für die Schaffung
zusätzlicher Studienplätze in der Humanmedizin ausgesprochen hat.
Bekenntnisse und Absichtserklärungen allein reichen jedoch nicht aus.
Der 121. Deutsche Ärztetag 2018 fordert die Bundesländer auf, die
finanziellen Mittel für eine Erhöhung der Zahl der Studienplätze in
der Humanmedizin um bundesweit mindestens zehn Prozent
bereitzustellen. Nach Vorlage des Abschlussberichtes der zuständigen
Expertenkommission zur Finanzierung des Masterplans Medizinstudium
2020 sind die im Masterplan aufgeführten Reformmaßnahmen vollständig
und bundesweit umzusetzen. Notfallversorgung neu gestalten Die
Neuausrichtung der Notfallversorgung in Deutschland ist nicht nur
versorgungspolitisch dringend erforderlich, sie bietet darüber hinaus
auch die Möglichkeit, Strukturen für eine moderne
sektorenübergreifende Versorgung zu schaffen. Dieser Schritt kann nur
in Kooperation von ärztlicher Selbstverwaltung, den weiteren
Selbstverwaltungspartnern und der mit der Reform beauftragten
Bund-Länder-Arbeitsgruppe gelingen. Als grundlegende Voraussetzung
fordert der 121. Deutsche Ärztetag 2018, die für eine Verbesserung
der Personalverfügbarkeit, für Prozessverbesserungen und für die
Vernetzung in der Notfallversorgung erforderlichen Finanzmittel
dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Eine weitere Kompensation dieser
Investitionskosten zu Lasten von Ärzten und Pflegepersonal darf es
nicht geben. Ein „Weiter so“ gefährdet das Patientenwohl.
Retter und Helfer vor Gewalt schützen
Der 121. Deutsche Ärztetag 2018 fordert Politik und Gesellschaft
auf, Ärztinnen und Ärzte, medizinisches Personal und Rettungskräfte
besser vor Gewalt zu schützen. Wir brauchen dringend
Aufklärungskampagnen, die deutlich machen, dass diese Menschen Retter
und Helfer sind. Die Sicherheit der Ärztinnen und Ärzte sowie der
Angehörigen der Gesundheitsberufe ist ein unverzichtbarer Bestandteil
der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Die sich in hohem Maße
engagierenden Ärztinnen und Ärzte und Angehörigen der
Gesundheitsberufe verdienen Schutz vor Aggressionen und tätlichen
Angriffen und müssen deshalb endlich auch in den Schutzbereich des §
115 StGB aufgenommen werden.
Kompetenzüberschreitung der EU stoppen
Die Europäische Union steckt in einer tiefen Krise. Doch während
das Vertrauen in das geeinte Europa erodiert, setzt die Europäische
Kommission ihre Politik der Machtkonzentration unbeirrt fort. Die
sogenannte Verhältnismäßigkeitsprüfung ist Beispiel dafür, wie tief
die Kommission in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingreift und
die ärztlichen Berufsregeln zukünftig vorgeben will. Jüngstes
Beispiel ist die HTA-Verordnung. Sie zielt vermeintlich auf eine
Zentralisierung, de facto aber auf eine der Industrie nützende
Herabsetzung von Sicherheitsstandards der Arzneimittelbewertung ab.
Damit greifen die Bürokraten aus Brüssel erneut in die durch den
Vertrag von Lissabon garantierte nationale Zuständigkeit für die
Organisation des Gesundheitswesens ein. Der 121. Deutsche Ärztetag
2018 fordert die Europäische Kommission auf, ihren Vorschlag für eine
zentralisierte medizinische Nutzenbewertung so zu überarbeiten, dass
er das Prinzip der Subsidiarität beachtet und den Patientenschutz in
den Mittelpunkt stellt. Patienten sind keine Konsumenten. Ihre
Sicherheit darf nicht den Interessen der Gesundheitswirtschaft
geopfert werden.
Ethische Dimension der Digitalisierung erkennen
Die fortschreitende Digitalisierung im Gesundheitswesen bietet
große Möglichkeiten zur Optimierung der Versorgung, sie birgt
allerdings auch die Gefahr der Entpersonalisierung der
Patienten-Arzt-Beziehung und der weiteren Ökonomisierung des
Gesundheitswesens. Konnektivität und Definition der Algorithmen
erfordern nicht nur eine grundlegende politische
Digitalisierungsstrategie, sondern zwingend auch medizinisch-ethische
Grundsätze zur Datensicherheit, Datennutzung sowie zur Transparenz
der Algorithmen. Es gilt, ethische Prinzipien zu definieren, nach
denen auch in einer digitalisierten Medizin der Anspruch des
Patienten auf eine individuelle, qualifizierte Versorgung
gewährleistet bleibt.
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