In jedem Strafprozess dieser Welt darf es eigentlich
nur um die Handlungen einzelner Menschen gehen. Aber oft werden
Einblicke in die Psychologie eines solchen Prozesses nur möglich,
wenn das Schicksal des Landes mitgedacht wird, in dem er stattfindet.
Da ist dieRichterin Thokozile Matilda Masipa (66), eine Schwarze, in
ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, gehbehindert, ein „harter
Knochen“, als hoch kompetent und einfühlsam geachtet. Einen
Vergewaltiger verurteilte Masipa schon mal zu 250 Jahren Haft, in
Worten: zweihundertfünzig. Da ist Oscar Pistorius, der mit elf
Monaten beide Beine verlor, als Star nun arrogant ist, aber immer
noch ein Volksheld in Südafrika, einem Land, dessen politische Klasse
nach Mandela nie mehr Volkshelden, sondern fast nur noch korrupte
Versager hervorbrachte, ein Land, das nach wie vor sozial zerrüttet
und gespalten ist. Die Richterin sagt:Pistorius hat nicht vorsätzlich
gemordet. Für ihn ist das, als würde er neu geboren, für die
Angehörigen des Opfers ein Skandal. Empfindet die Richterin, obwohl
ein harter Knochen, tief in ihrem Inneren Mitleid oder Mitgefühl für
Pistorius, oder Skrupel, ihn als Mörder zu klassifizieren? Will sie
in ihrem geschundenen Land nicht auch noch diesen einen Volkshelden
stürzen?Solche Emotionen der Richterin wären menschlich
nachvollziehbar, aber ungerecht und deshalb nicht akzeptabel, vor
allem mit Blick auf das Opfer. Hoffen wir also, dass die Richterin,
die den besten Überblick hat und die Fähigkeit, Beweise juristisch
zu würdigen, das menschenmögliche Maß an Objektivität walten ließ.
Das letzte Wort hat sie zudem noch nicht gesprochen. Sie kann
Pistorius, auch wenn sie nicht auf Mord erkannt hat, für 15 Jahre
hinter Gitter schicken. Das wäre ein für alle akzeptables Urteil.
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Werner Wenzel
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