Es ist so eine Sache mit der Wahrheit. Manchmal
kommt sie ganz spät ans Licht, manchmal, so steht zu befürchten, auch
nie. Die wichtigste Aufgabe eines Gerichts ist es, die Wahrheit zu
finden. Weil Richter aber nicht in allen Fachgebieten firm sein
können, bedienen sie sich der Gutachter. Der Justiz-Scherz, wonach es
auch „Schlechtachter“ gebe, legt den Finger in die Wunde. Entscheiden
müssen letztlich die Richter, aber in gewisser Weise sind sie davon
abhängig, dass ihnen die Gutachter keinen Unsinn erzählen.
Anerkanntermaßen ist es bei Gutachtern aber exakt so wie in jeder
anderen Sparte, bei Ärzten, Schlossern oder Putzkräften: Es gibt
herausragende, mittelmäßige und grottenschlechte. Und dann: Gnade dem
Gericht und mehr noch dem Angeklagten, der an letztere Kategorie
gerät. Nun ist es keinesfalls so, dass in Deutschland oder speziell
im Freistaat Bayern der Dilettantismus vor Gericht fröhliche Urstände
feiern würde. Deutschland ist ein Rechtsstaat, Bayern ist ein
Rechtsstaat. Freilich ist das kein Trost für Menschen, die Opfer
eines Justizirrtums oder eines Einzelfalls von gnadenloser
Schlamperei geworden sind, wie das im Fall Mollath zu befürchten ist.
Es soll alles an zwei kleinen Buchstaben auf einem Attest liegen, die
falsch bewertet wurden – atemberaubend. Falls schuldhaftes
Fehlverhalten von Verfahrensbeteiligten vorliegt, dann muss es straf-
und zivilrechtlich verfolgt werden. Aber wie wäre denn ein
ungerechtfertigter siebenjähriger zwangsweiser Aufenthalt in einer
Psychiatrie wieder gutzumachen? Auch im Rechtsstaat ist höchste
Aufmerksamkeit erste Bürgerpflicht. Nicht nur im Strafrecht, auch bei
Vormundschaften, Pflegschaften, immer dann, wenn Menschen nicht mehr
für sich selbst entscheiden können oder sollen.
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Wolfgang Bürkle
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