Man fühlt sich an die legendäre Radio-Reportage vom
WM-Finale 1954 erinnert: „Aus dem Hintergrund müsste…“ in diesem
Fall nicht Rahn, sondern Hoeneß…. „schießen…“ Aber Uli Hoeneß
„schoss“ nicht, er vollzog nicht den Befreiungsschlag, deckte das
Schweizer Konto über Jahre nicht auf. Damit schoss er ein Eigentor.
„Aus, aus, aus, das Spiel ist aus“, dröhnte es in der 54er Reportage.
Aus ist es nicht für Uli Hoeneß nach diesem Urteil. Es hätte für ihn
schlimmer kommen können. Der Richterspruch ist ordentlich gewichtet.
Hoeneß hat eine Straftat begangen, kein Kavaliersdelikt. Offenbar war
er wie im Rausch, was nicht strafmildernd wirkt, vielmehr für ihn
Anlass sein muss, tief in sich hineinzuhorchen und sich mit Leuten zu
beraten, die von Psyche viel verstehen. Die Summe der hinterzogenen
Steuern ist enorm. Für Hoeneß spricht andererseits, dass er, sieht
man von der Steuerhinterziehung ab, ein anständiger, sozial
eingestellter und hilfsbereiter Mensch ist. All dies galt es,
abzuwägen. Da sind dreieinhalb Jahre nicht sehr hart, aber auch nicht
so mild, dass man einen Promi-Bonus vermuten müsste. Das Urteil wird
wohl auch eine Signalwirkung haben und andere zum Nachdenken bringen.
Häme und Schadenfreude verbieten sich ebenso wie Mitleid. Der Mann
ist stark genug, das hat er oft genug bewiesen. Und welche seiner
bisherigen Freunde auch jetzt zu ihm stehen, wird ihm interessante
Erkenntnisse eröffnen, weit über den Prozess hinaus.
Rechtsordnung in Schieflage
Es hat also durchaus seine Ordnung mit diesem Urteil. Genauso
wichtig aber ist die Frage, ob alles seine Ordnung hat mit der
Rechtsordnung, auf der es beruht. Doch da ist einiges in Schieflage.
Das deutsche Strafgesetzbuch stammt in seiner ursprünglichen Fassung
von 1871 und wurde damit geprägt von einem Zeitgeist, der dem Schutz
des Eigentums einen sehr hohen Stellenwert einräumte. Zwar wurden die
Bestimmungen zum Schutz von Leib und Leben im Laufe der Jahrzehnte
deutlich reformiert. Dennoch: Das Strafgesetzbuch sieht für besonders
schweren Betrug dasselbe Strafmaß vor wie für sexuellen Missbrauch
von Kindern: bis zu 10 Jahren Haft. Und die stehen als Höchststrafe
auch zu Gebote für besonders schwere Steuerhinterziehung gemäß
Abgabenordnung. Will man es auf die Spitze treiben, kann man fragen:
In welcher Relation stehen die dreieinhalb Jahre des Uli H. zu nur
zehn Jahren, die das Strafgesetzbuch für einen veritablen Totschlag
vorsieht? Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die Strafen für
Delikte, bei denen es um Geld geht, nicht zu hart sind. Aber damit
wird auch klar, dass die Verhältnisse nicht stimmen, noch nie
gestimmt haben, schon gar nicht vor dem Hintergrund der Tatsache,
dass, wer einen „durchschnittlichen“ Mord begeht – heimtückisch,
grausam, aus niedrigen Beweggründen – faktisch mit gerade mal 15
Jahren davonkommt. Die Relationen stimmen schon gar nicht, wenn man
folgenden Vergleich zieht, der so gewagt doch gar nicht ist:Wir haben
da den Herrn Hoeneß, dreieinhalb Jahre für 28 Millionen, die für die
Staatskasse noch nicht einmal perdu sind, sondern brav nachbezahlt
werden müssen. Und wir haben auf der anderen Seite die unübersehbare
Schar durchgeknallter Zocker, die 2008 mit ihrer Gier die halbe Welt
an den Rand des finanziellen Ruins trieben. Wie viele von denen
wurden wirklich bestraft, und wie schwer? Eine krasse Schieflage. Sie
entlastet Hoeneß nicht. Aber sie sollte zum Nachdenken zwingen.
Pressekontakt:
Allgemeine Zeitung Mainz
Florian Giezewski
Regionalmanager
Telefon: 06131/485817
desk-zentral@vrm.de
Weitere Informationen unter:
http://