Allg. Zeitung Mainz: Wegweisen / Frank Schmidt-Wyk zum Raserurteil

Das Berliner Landgericht schreibt Rechtsgeschichte –
wenn das gestrige Urteil in einer Revision vor dem Bundesgerichtshof
stand hält. Erstmals wurden zwei Teilnehmer eines illegalen
Autorennens wegen Mordes verurteilt und damit zu lebenslanger Haft.
Bisher ließ die Justiz solche Täter eher glimpflich davon kommen,
verurteilte sie allenfalls wegen Straßenverkehrsgefährdung und/oder
fahrlässiger Tötung zu vergleichsweise milden Strafen. Genau das war
auch die Forderung der Verteidiger im Berliner Prozess. Doch auf die
Logik der Anwälte ließen sich die Richter diesmal nicht ein, ließen
die Angeklagten stattdessen die volle Härte des Gesetzes spüren. Dazu
musste sich die Kammer vor allem mit zwei juristischen Kernfragen
beschäftigen: Handelten die Täter bedingt vorsätzlich, haben sie also
tödliche Folgen zumindest in Kauf genommen? Und: Liegt eines der
Merkmale vor, die die Tötung eines Menschen juristisch als Mord
qualifizieren? Beides bejahten die Richter. Eine vertretbare
Auffassung: Sich klarzumachen, dass Menschenleben gefährdet, wer im
Sportwagen mit Tempo 160 durch eine Großstadt brettert – diese
intellektuelle Leistung darf zwei jungen Männern durchaus abverlangt
werden. Eine wegweisende juristische Einschätzung, die zwangsläufig
zur Frage führt, ob nach der Logik der Berliner Richter künftig nicht
auch skrupellose Raser auf den Autobahnen härter bestraft werden
müssten. Diejenigen sind gemeint, die dort gerne mal mit
Geschwindigkeiten weit jenseits von 200 Stundenkilometern unterwegs
sind, sich damit ebenso wie die Berliner Täter ihrer
Reaktionsfähigkeit weitgehend berauben und ihre Autos in kaum noch
kontrollierbare Geschosse verwandeln – immer wieder auch mit
tödlichen Folgen.

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