ARMID-Umfrage zu Haftungsrisiken in Aufsichtsgremien mittelständischer Unternehmen / Haftungsrisiken werden von Aufsichts- und Beiräten noch häufig unterschätzt

ARMID-Umfrage zu Haftungsrisiken in Aufsichtsgremien mittelständischer Unternehmen / Haftungsrisiken werden von Aufsichts- und Beiräten noch häufig unterschätzt
 

30 Prozent der Aufsichts- und Beiräte mittelständischer Unternehmen haben in dieser Funktion Haftungssituationen bereits selbst erlebt oder bei anderen Mitgliedern beobachtet.

Dies ist ein Ergebnis einer Umfrage unter den Mitgliedern des ARMID. Im ARMID sind über 400 Aufsichts- und Beiräte von Unternehmen mit einem Umsatz von mehreren Hundert Millionen Euro zusammengeschlossen. An der Befragung haben 112 ARMID-Mitglieder teilgenommen.

Klaus F. Jaenecke, Vorsitzender des ARMID, erläutert: „Haftungsfragen für Mitglieder in Aufsichtsräten gewinnen zunehmend an Dynamik. Von der aktuellen gerichtlichen Aufarbeitung des Wirecard-Skandals sind wegweisende Urteile in Richtung einer Verschärfung der Haftung von Aufsichtsräten zu erwarten.“

Neben Ex-CEO Markus Braun und weiteren operativen Managern sind auch ehemalige Aufsichtsräte ins Visier der Justiz geraten. Die 140 Millionen Euro Schadensersatzklage des Wirecard-Insolvenzverwalters Michael Jaffé ist unter anderem auch an zwei frühere Aufsichtsratsmitglieder adressiert, denen die Zustimmung zu einem ungesicherten 100-Millionen-Euro Kredit sowie zu einer ebenso hohen Bond-Zeichnung vorgeworfen wird. Derzeit prüft das Gericht in Bezug auf die Aufsichtsräte noch, ob deren pflichtwidriges „Durchwinken“ kausal für den Schaden war.

Grundsätzlich gehen über 80 Prozent der befragten ARMID-Mitglieder von einer Verschärfung der Situation in Haftungsfragen für Mitglieder von Aufsichtsgremien aus. Klaus F. Jaenecke: „Dennoch unterschätzen noch viele Gremienmitglieder die Risiken ihrer Tätigkeit.“ So hat bislang nur eine Minderheit von 17 Prozent der befragten Aufsichts- und Beiräte ein Mandat in einem Kontrollgremium aus Sorge vor Haftung abgelehnt. Und auch nur sechs Prozent schätzen das Risiko, persönlich für Fehlentscheidungen oder Pflichtverletzungen in ihrer Funktion als Gremiumsmitglied haftbar gemacht zu werden, für „hoch“ ein. 61 Prozent halten das Risiko für „gering“ beziehungsweise für „sehr gering“.

Wie dünn die Verteidigungslinie von Aufsichtsräten im Krisenfall ist, belegt beispielsweise der Fall der börsennotierten Walter Nagel AG. Der Aufsichtsrat genehmigte jahrelang riskante Berater- und Finanzgeschäfte, obwohl sich die Insolvenzreife abzeichnete. Das OLG Düsseldorf verurteilte vier Aufsichtsratmitglieder zu rund vier Millionen Euro Schadenersatz. Jeder Aufsichtsrat habe eine eigenständige Pflicht, so die Begründung, zweifelhafte Vorstandsgeschäfte zu stoppen und bei drohender Insolvenz unverzüglich Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Auch bei der Signa-Insolvenz hat die Masseverwalterin der Signa Prime-Einheit Aufsichtsräte aufgefordert – darunter den ehemaligen Österreichischen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer – ihre persönliche Haftung „konstitutiv anzuerkennen“. Klagen werden vorbereitet. Bemerkenswert ist, dass der Signa-Beirat statuarisch nur beratend war, faktisch aber Aufsichtsratsfunktionen wahrnahm. Mittelständische „Beiräte light“ können demnach möglicherweise auf in Regress genommen werden.

Zurück zur ARMID-Befragung. Das wenig ausgeprägte Bewusstsein für potenzielle zivil- und strafrechtliche Haftungsansprüche geht auch aus einer weiteren Fragestellung hervor. So glauben sich lediglich 42 Prozent der befragten Kontrollmitglieder seitens einer speziellen Haftpflichtversicherung (D&O-Versicherung) als „vollständig abgesichert“. Die Mehrheit der Antworten verteilt sich auf „teilweise abgesichert“ und „nicht abgesichert“. Sechs Prozent der Befragten ist über einen Versicherungsschutz nicht informiert. Klaus F. Jaenecke sieht dies kritisch: „Es kann sich rasch als fahrlässig bis ruinös herausstellen, keine ausreichende Haftpflichtversicherung zu besitzen. Es fährt ja auch niemand ohne Versicherung Auto, auch wenn man nicht täglich einen schweren Unfall baut.“

Grundsätzlich halten sich Mitglieder von Aufsichts- und Beiräten mittelständischer Unternehmen über zivil- und strafrechtliche Risiken ihrer Tätigkeit für gut informiert (65 Prozent), 14 Prozent sogar für sehr gut informiert.

Die ARMID-Befragung gibt ebenfalls Auskunft, in welchen Feldern die Gremienmitglieder den höchsten Bedarf an Aufklärung sehen. So würden sich jeweils 57 Prozent Schulungen und Informationen zu den Themen „Haftungsvermeidung“ und „Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen“ wünschen. Auch bei den Themen „Allgemeine Haftung“ (39 Prozent) und „Pflichten bei Interessenkonflikten“ (36 Prozent) besteht seitens der Aufsichtsräte Informationsbedarf. Das Feld der „Versicherungsoptionen“ (16 Prozent) wird als nicht so aufklärungsbedürftig erachtet (Mehrfachnennungen möglich).

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