In ganz Deutschland und auch in anderen Staaten
strotzen die Kommunalpolitiker derzeit vor Selbstbewusstsein. Keine
Aufgabe ist zu kompliziert, als dass Politiker sie nicht wieder
zurück in ihre Hand nehmen zu wollen. Die Umkehr des
Privatisierungskurses der Neunzigerjahre ist der Trend in Städten und
Gemeinden – und das international. Das Scheitern des Marktes in der
internationalen Finanzindustrie hat all jenen Auftrieb verliehen, die
schon immer der Ansicht waren, Private richteten eben nicht alles,
schon gar nicht wenn es um Wasser, Strom, Gas oder Nahverkehr geht.
Berlins Sozialdemokraten und Linke befinden sich mit ihrer Politik
der Rekommunalisierung also in zahlreicher Gesellschaft. Die Frage
bleibt jedoch, ob sich Berlins Halbtagsparlament und seine nicht
sonderlich leistungsfähige Verwaltung damit nicht gehörig überheben.
Ehe man sich mit Hunderten von Millionen Euro neu verschuldet, um der
Gasag das Gasnetz abzukaufen, sollte man vielleicht lieber dem
Krankenhauskonzern Vivantes das Geld für dringend benötigte
Investitionen und Sanierungen geben. Aber es wäre sicher
bedenkenswert, die S-Bahn von der Deutschen Bahn AG zu kaufen oder
die Anteile von Veolia und RWE an den Berliner Wasserbetrieben zu
übernehmen. Denn es ist erwiesen, dass man mit Wasserversorgung und
S-Bahnverkehr auch wegen der eigenen Hoheit über die Preisgestaltung
beachtliche Gewinne erzielen kann, wenn man solche Betriebe
ordentlich managt. Weil aber die bisherigen Eigentümer das auch
wissen, hält sich deren Bereitschaft in Grenzen, auf eben diese
sicheren Renditen zu verzichten. Die Gespräche des Senats mit der
Bahn-Spitze und den Wasser-Investoren, um die bisherige
Geschäftsgrundlage zu verändern, dürften nicht einfach werden. Doch
die Stimmung der sozialdemokratischen Basis ist eindeutig: Sie will
alles und zwar möglichst bald. Die Stimmen der Spitzenleute Klaus
Wowereit und Michael Müller klingen zurückhaltender und müssen sich
mit einer realistischen Haltung gegen rote Staatswirtschaftsträume
behaupten. Ein Engagement der Stadt müsse sich nicht nur rechnen,
sondern auch Sinn machen für die Kunden, beteuern sie. Und es müsse
klar sein, dass Berlin nicht auch durch Verträge oder Genehmigungen
Einfluss nehmen kann, ohne Millionen zu riskieren. Kommunale
Eigentümerschaft darf kein Selbstzweck sein, wie das viele
Sozialdemokraten und Gewerkschafter jetzt schon wieder propagieren.
Um solche Unternehmen als Stadt vernünftig zu führen, braucht die
Politik neben viel Knowhow zunächst mal eine Vorstellung, was sie
damit ereichen will. Allein niedrige Preise und dem Wettbewerb
entzogene Arbeitsplätze können es nicht sein. Das Risiko, sich neue
Verantwortung aufzulasten ist groß, wirtschaftlich und politisch.
Denn die Berliner erwarten vor allem, dass auch 2017 die S-Bahn noch
(oder überhaupt endlich mal) pünktlich kommt. Wem sie dann gehört,
ist zweitrangig.
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