Betriebsratsbeschluss – rückwirkende Genehmigung?

Betriebsratsbeschluss – rückwirkende Genehmigung?
Fabian Wilden, Rechtsanwalt (Die Bildrechte liegen bei dem Verfasser der Mitteilung.)
 

1. Die Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens und die Beauftragung eines Rechtsanwalts bedürfen eines ordnungsgemäßen Beschlusses des Betriebsrats. Ist die Beschlussfassung unterblieben oder fehlerhaft, kann sie – grds. aber nur bis zum Ergehen einer Prozessentscheidung – durch einen nachträglich gefassten Beschluss erfolgen bzw. genehmigt werden.

2. Ein Beschluss des Betriebsrats leidet an einem erheblichen Mangel und ist unwirk-sam, wenn zu der Betriebsratssitzung, auf der er gefasst worden ist, Ersatzmitglieder unter Verstoß gegen die in § 25 Abs. 2 BetrVG vorgegebene Reihenfolge herangezogen worden sind. Dies gilt auch, wenn die Heranziehung eines „falschen“ Ersatzmitglieds in gutem Glauben und ohne Bevorzugungs- bzw. Benachteiligungsabsicht bestimmter Personen oder Listen erfolgt ist.

3. Die Prüfung der Erforderlichkeit des Führens eines Rechtsstreits sowie der Erforderlichkeit der Beauftragung eines Anwalts kann ein Betriebsrat auch noch nachträglich bewerten und nach diesem Ergebnis einen früheren Beschluss ggfs. bestätigen.

(BAG, Beschluss v. 25.09.2024 – 7 ABR 37/23, Orientierungssätze des Verfas-sers)

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen aus der Spielzeugindustrie. Bei ihr bestand nach der Betriebsratswahl im Jahr 2018 ein 21-köpfiger Betriebsrat, der sich auf fünf Vorschlagslisten verteilte; dem Geschlecht in der Minderheit standen acht Mindestsitze zu.

Im Oktober 2020 stellte die Arbeitgeberin eine Beschäftigte als HR Leitung ein. Der Betriebsrat wurde hierbei unter Verweis auf § 5 Abs. 3 BetrVG zwar über die Einstellung informiert, jedoch nicht gem. § 99 BetrVG beteiligt. Daraufhin beschloss der Betriebsrat im November 2020, von der Arbeitgeberin die Aufhebung der Einstellung zu verlangen und soweit erforderlich ein Beschlussverfahren nach § 101 Satz 1 BetrVG einzuleiten. Mit der Durchführung des Beschlussverfahrens beauftragte der Betriebsrat eine Rechtsanwaltskanzlei, die dieses in der Folge auch einleitete. Dieser Beschluss kam unter Beteiligung von Ersatzmitgliedern zustande, deren La-dung zur Betriebsratssitzung fehlerhaft erfolgte. Diese Fehlerhaftigkeit, die der Betriebsrat nicht erkannte, resultierte daraus, dass bei der Bestimmung des zu ladenden Ersatzmitgliedes die Auswirkung eines Listensprungs auf die Mindestquote verkannt wurde. Es fehlte damit an einem ordnungsmäßen Beschluss des Betriebsrats sowohl für die Einleitung des Beschlussverfahrens als auch im Hinblick auf die Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei. Das Beschlussverfahren fand ohne gerichtliche Entscheidung sein Ende, da das Arbeitsverhältnis der Beschäftigten in der Probezeit gekündigt wurde. Die Arbeitgeberin verweigerte den Ausgleich der für die Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei entstandenen Kosten und berief sich hierzu auf die Fehlerhaftigkeit des Betriebsratsbeschlusses. Daraufhin beschloss der Betriebsrat im Januar 2022, wiederum nicht ordnungsgemäß, die Einleitung eines Kostenfreistellungsverfahrens gegen die Arbeitgeberin durch die Rechtsanwaltskanzlei. Nach Einleitung des Verfahrens fand turnusgemäß die Neuwahl des Betriebsrates statt. Der neu gewählte Betriebsrat genehmigte durch ordnungsgemäßen Beschluss aus Juli 2022 rückwirkend die Einleitung des Verfahrens und die Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei. Das Arbeitsgericht wies die Anträge auf Kostenfreistellung ab, das Landesarbeitsgerichts gab der Beschwerde des Betriebsrats hiergegen statt. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zurückgewiesen.

Das BAG hat hierbei zunächst seine Rechtsprechung bestätigt, dass die Beteiligung eines fehlerhaft geladenen Ersatzmitgliedes an einem Beschluss des Betriebsrats dazu führt, dass dieser an einem erheblichen Mangel leidet. Denn § 25 Abs. 2 BetrVG gehöre zu den wesentlichen und unverzichtbaren Verfahrensvorschriften, von deren Beachtung die Wirksamkeit von Betriebsratsbeschlüssen abhänge. Dass es bei der zutreffenden Bestimmung des zu ladenden Ersatzmitgliedes aufgrund einer Vielzahl von Vorschlagslisten und zu beachtender Mindestquote zu einer komplexen Sachlage kommen könne, sei unerheblich. Daher komme es auch nicht darauf an, ob diese Bestimmung „in gutem Glauben“ oder „absichtlich“ bzw. „fehlerhaft“ oder „grob fehlerhaft“ stattfand. Der Betriebsratsbeschluss im November 2020 sei damit nicht ordnungsgemäß erfolgt; die Verfahrenseinleitung und Beauftragung damit schwebend unwirksam. Der ordnungsgemäße Beschluss aus Juli 2022 habe jedoch diesen rückwirkend geheilt. Eine solche Heilung sei dabei zum einen nur bis zu einer Prozessentscheidung möglich, setze aber zum anderen voraus, dass eine Erforderlichkeit für Verfahrenseinleitung und Beauftragung zum Zeitpunkt des nicht ordnungsgemäßen Beschlusses bestand. Beides hat das BAG im zu entscheidenden Fall bejaht.

Fazit:

Die Entscheidung des BAG, die im Übrigen inhaltlich zu begrüßen ist, zeigt deutlich auf, dass auf das Zustandekommen eines ordnungsgemäßen Beschlusses zur Einleitung eines Beschlussverfahrens, wie bei allen Beschlüssen des Betriebsrates, ein besonderes Augenmerk zu legen ist. Das gilt auch im Hinblick auf die Ermittlung der zu ladenden Ersatzmitglieder. Denn unabhängig von der Frage der Kostenfreistellung, ist der Betriebsrat bei einem nicht ordnungsgemäßen Beschluss nicht wirksam im Verfahren vertreten, gestellte Anträge sind bereits unzulässig. Das zeigt die Notwendigkeit, bei komplizierten Fragestellungen einen Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz – bei Bedarf auch nicht nur einen – hinzuzuziehen, um Antworten finden zu können. Ansonsten besteht erkennbar die Gefahr, Stolpersteine besten Gewissens nicht zu bemerken bzw. zu übersehen und einen nicht ordnungsgemäßen und daher unwirksamen Beschluss zu fassen.

Fabian Wilden, Rechtsanwalt,

Anwaltsbüro Windirsch, Britschgi und Wilden