Bundesverfassungsgericht kippt berufsrechtliche Sanktionen: Zahnärzte und Ärzte dürfen gewerbliche Werbemethoden nutzen

Auch Ärzte und Zahnärzte dürfen
werben! – Für diese Freiheit macht sich Beate Bahner, Fachanwältin
für Medizinrecht in Heidelberg und Fachbuchautorin beim renommierten
Springer Verlag Heidelberg, bereits seit vielen Jahren stark. Mit
ihrem Buch „Das neue Werberecht für Ärzte. Auch Ärzte dürfen werben“
ebnete sie schon vor zehn Jahren den Weg für die Abschaffung des
strengen Werbeverbotes und die Erlangung der Werbefreiheit von Ärzten
und Zahnärzten. Unzählige Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts hat sie hierbei in ihrem Buch ausgewertet,
nun kommen zwei weitere Entscheidungen dazu, die Beate Bahner aktuell
selbst als Anwältin erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht
erstritten hat (BVerfG, Beschlüsse vom 1. Juni 2011 – 1 BvR 233/10
und 235/10).

Die Zahnärztekammer und die zahnärztlichen Berufsgerichte hatten
gegen den betroffenen Zahnarzt empfindliche Geldbußen auferlegt, weil
er angeblich in berufswidriger Weise für seine Leistungen geworben
habe. Der Zahnarzt ist Inhaber einer großen und modernen Praxis mit
Schwerpunkt Implantologie. Er unterhält ferner einen Verlag, in
welchem er sowohl für zahnärztliche Kollegen als auch für Patienten
Publikationen über Implantologie verlegt. Anlässlich einer
Gesundheitsmesse hatte der Zahnarzt mit einer Verlosung für seine
zahnärztlichen Dienstleistungen geworben. Ausgelobt waren Gutscheine
für ein Bleaching, eine professionelle Zahnreinigung, ein
Patientenratgeber und Zahnbürsten. Die Berufsgerichte hatten den
Zahnarzt deswegen verurteilt, das Bundesverfassungsgericht erklärte
dies nun für verfassungswidrig.

„Welche Werbeformen als sachlich und übertrieben bewertet werden,
unterliegt zeitbedingten Veränderungen (vgl. BVerfGE 94, 372 ff.,
111, 366 ff.). Allein daraus, dass eine Berufsgruppe ihre Werbung
anders als bisher üblich gestaltet, folgt nicht, dass das nunmehrige
geänderte Vorgehen berufswidrig wäre. Vielmehr hat der einzelne
Berufsangehörige es in der Hand, in welcher Weise er sich für die
interessierte Öffentlichkeit darstellt, solange er sich in den durch
schützende Gemeinwohlbelange gezogenen Schranken hält. Auch das
Sachlichkeitsgebot verlangt nicht, sich auf die Mitteilung nüchterner
Fakten zu beschränken (vgl. BVerfGE 111, 366 ff.). Die Methode, eine
Verlosung zu nutzen, um Aufmerksamkeit und Interesse zu wecken und
hierdurch neue Patienten für eine Zahnarztpraxis zu gewinnen, ist als
solche mithin noch nicht berufswidrig, denn Gemeinwohlbelange, die
durch ein solches Vorgehen verletzt werden könnten, sind nicht
ersichtlich.“, urteilten die Richter (BvR 233/10).

Allerdings komme es darauf an, welche Preise verlost würden: So
sei eine professionelle Zahnreinigung zulässig, da es sich um eine
nützliche und die Zahngesundheit fördernde Leistung handle, deren
Erbringung für den Patienten mit keinen nennenswerten
gesundheitlichen Risiken verbunden sei. Im Hinblick auf die Verlosung
einer „Bleaching-Behandlung“ unterscheidet das
Bundesverfassungsgericht dagegen, ob es sich um ein externes oder
internes Bleaching handle und ob diese Behandlung mehr als einen „nur
geringfügigen Eingriff in die körperliche Integrität“ darstelle.
Seien mit einer kostenlosen Behandlung zugleich gesundheitliche
Risiken verbunden, so sei es durchaus möglich, dass eine
entsprechende Verlosung das Schutzgut der Gesundheit der Bevölkerung
beeinträchtige. Es kommt also bei einer Werbung mit Verlosungen und
Gutscheinen stets darauf an, ob die Behandlung gesundheitliche
Risiken birgt.

Der Zahnarzt warb ferner mit dem Einsatz eines digitalen
Volumen-Tomographen in seiner Praxis. Das Berufsgericht hielt auch
dies für eine unzulässige übliche Werbung für fremde Produkte. „Das
ist einfach absurd“, findet Fachanwältin Beate Bahner: „Die Patienten
wollen doch wissen, ob sie in eine Praxis gehen, die mit modernen
Geräten ausgestattet ist und in welcher sie mit modernsten Methoden
untersucht oder behandelt werden. Und die Patienten haben sogar einen
Anspruch auf diese Information!“ Das Bundesverfassungsgericht gab
auch in diesem Punkt dem Zahnarzt recht: Der Hinweis eines Zahnarztes
auf die von ihm verwendeten Geräte ist zulässig und darf nicht
verboten werden. Eine Einschränkung ergibt sich nach Ansicht des
Bundesverfassungsgerichts lediglich im Hinblick auf die Nennung der
Herstellerfirma. Das Gericht hält es für zumutbar, das diese
Information vom Zahnarzt unterlassen wird.

Der Zahnarzt darf auf seiner Homepage freilich auch darauf
hinweisen, dass er einen Verlag für zahnärztliche Literatur
unterhält. Auch dies stellt keine unzulässige Vermischung von freier
Berufsausübung und Gewerbe dar.

Das Bundesverfassungsgericht hat damit Ärzten und Zahnärzten
erneut zur erweiterten Berufsfreiheit verholfen. „Ein solcher
Doppelerfolg vor dem Bundesverfassungsgericht ist auch für Anwälte
etwas ganz Besonderes“, freut sich die Expertin Beate Bahner. „Denn
die Chancen, mit einer Verfassungsbeschwerde vor dem
Bundesverfassungsgericht erfolgreich zu sein, liegen derzeit bei nur
etwa 1,7 %. Gleich zwei Verfassungsbeschwerden nacheinander zu
gewinnen – das hat durchaus Seltenheitswert!“ Ihre dritte
Verfassungsbeschwerde zum ärztlichen Werberecht ist derzeit noch beim
Bundesverfassungsverfassungsgericht abhängig, verrät Beate Bahner.
Natürlich hofft sie, auch diesen Fall zu gewinnen.

Az. des Gerichts: BVerfG, Beschlüsse vom 1. Juni 2011 – 1 BvR
233/10 und 235/10.

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