Michael Odenwald, der Aufsichtsratsvorsitzende der
Deutschen Bahn, hat in seinem ersten Interview deutliche Kritik an
Bahn-Vorstand, Bundesrechnungshof sowie an den Aufspaltungsplänen für
den Staatskonzern geübt. Der Negativrekord bei der Pünktlichkeit und
die häufigen Mängel an den Zügen seien „inakzeptabel“, sagte Odenwald
gegenüber dem am Freitag erscheinenden Wirtschaftsmagazin BILANZ.
„Wir müssen besser werden. Das mache ich auch immer wieder dem
Vorstand deutlich.“ Dass Bahn-Chef Richard Lutz in seiner Not das
eigene Management vor gut einem halben Jahr in einem Brandbrief
öffentlich vorführte, sei falsch gewesen. „Wir alle wollen die Bahn
gemeinsam vorwärts bringen“, so Odenwald. „Ich persönlich, und das
habe ich Herrn Lutz auch gesagt, hätte diesen Brief nicht
geschrieben.“
Im Gespräch mit BILANZ macht Odenwald für die Probleme im
täglichen Bahnbetrieb indirekt auch den vorigen Bahn-Chef Rüdiger
Grube sowie dessen Vorgänger Hartmut Mehdorn mitverantwortlich, der
die Bahn auf Börsenskurs getrimmt und dabei am Schienennetz gespart
hatte. „Ich will das nicht an Namen festmachen“, so Odenwald
gegenüber BILANZ. „Ich glaube aber, dass früher zu wenig Augenmerk
auf die Infrastruktur gelegt wurde.“
Die vom heutigen Vorstand unlängst vorgelegte Sofortprogramm
„Agenda für eine bessere Bahn“ sei „für die kommenden Monate ein
erster und großer Schritt“. Auf den Einwurf, ein vergleichbares
Konzept des vorigen Bahn-Chefs Grube vor zwei Jahren habe die
gegenwärtige Misere nicht verhindert, meint Odenwald: „Ich sage
durchaus selbstkritisch: Daraus haben wir gelernt. Deshalb werde ich
bei der neuen Agenda mit ganzer Kraft hinter der Umsetzung und der
Einhaltung der Ziele her sein.“
Ausdrücklich wehrt sich Odenwald gegen die Vorwürfe des
Bundesrechnungshof, die Bahn setze die staatlichen
Milliardenzuschüsse zweckentfremdet oder unwirtschaftlich ein, weil
Bundesregierung und Aufsichtsrat das Unternehmen nicht ausreichend
kontrollierten. „Ich kenne den Bundesrechnungshof seit vielen Jahren
und schätze ihn“, sagt Odenwald. „Dennoch ist dem Rechnungshof immer
wieder anzumerken, dass er am liebsten zurück möchte zum alten
System, als die Bahn noch eine Behörde war. Da musste die Bahn
Anträge stellen, diese Unterlagen wurden dann von der
Ministerialbürokratie einer Verwendungsprüfung unterzogen und diese
Verwendungsprüfung konnte der Bundesrechnungshof dann überprüfen.“
Heute gebe es jedoch eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung
für die Infrastruktur zwischen der Bahn und der Bundesregierung im
Umfang von jährlich über vier Milliarden Euro. Und ein
Wirtschaftsprüfer für die Infrastruktur kontrolliere, ob die Bahn die
Milliarden für die vorgesehenen Zwecke verwende
Mit großer Deutlichkeit sprach sich Odenwald gegen eine von FDP,
Grünen und Teilen der Union geforderte Aufspaltung des Bahn-Konzerns
in Transporttöchter sowie eine staatliche Infrastrukturgesellschaft
aus, die rein aus Steuermitteln finanziert würde. „Ich kann den
Entscheidungsträgern von einer Zerschlagung nur abraten“, sagt
Odenwald. „Das würde heißen, dass die Bahn als Finanzierungsquelle
für die Infrastruktur neben dem Bund wegfallen würde.“ Diese Mittel
müsse der Steuerzahler dann zusätzlich aufbringen. „Viel Spaß allen,
die sich auf dieses Finanzierungsabenteuer einlassen wollen!“
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