Dr. Ralf Stegner: Kommunen und Fahrzeugbesitzer nicht im Stich lassen

TOP 23: Mobilität erhalten, Wertverlust verhindern:
Keine neue Kennzeichnungspflicht für Diesel-Kraftfahrzeuge (Drs-Nr.:
19/601, 19/619)

Luftverschmutzung ist weltweit nach wie vor das größte auf
Umweltfaktoren basierende Gesundheitsrisiko. Sie ist die Ursache für
Lungenkrankheiten, Schlaganfälle, Herzerkrankungen. Und
Luftverschmutzung ist aus sozialer Perspektive eine zutiefst unfaire
Belastung. Fast immer zahlen den Preis für dreckige Luft die weniger
Wohlhabenden. Weil sie an den vielbefahrenen Straßen wohnen oder weil
sie der Belastung in ihrem Berufsalltag stärker ausgesetzt sind.
Menschen haben ein Recht auf körperliche Unversehrtheit und darum
müssen sie auch ein Recht auf reine Luft haben. Das ist nach dem
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die eine Seite der Medaille. Die
andere Seite betrifft die Pendlerinnen und Pendler.
Schleswig-Holstein ist ein Flächenland. Jeden Tag fahren viele
Tausend Menschen in unsere Städte, nach Hamburg oder nach Dänemark.

Und natürlich haben sich viele von ihnen aus ganz rationalen
Gründen für einen Diesel entschieden. Oftmals übrigens für Modelle,
die von der Automobilindustrie als vermeintlich „clean“, „eco“ oder
sogar umweltfreundlich beworben wurden. Diese Kunden sind es, die die
Zeche zahlen, wenn jetzt Fahrverbote im Raum stehen. Darum müssen wir
den Spagat schaffen, die Schadstoffbelastung in den Städten in den
Griff zu bekommen und gleichzeitig unsere Pendlerinnen und Pendler zu
schützen.

Dafür müssen wir zum einen klar benennen, wer die Verantwortung
trägt. Und das dürfen nicht die Betrogenen, sondern müssen die
Betrüger sein. Die logische Folgerung daraus ist, dass es die Pflicht
der Automobilindustrie ist, sich entweder um eine vernünftige,
kostenfreie Nachrüstung zu kümmern – und wir reden hier nicht über
die Spar-Variante von Software-Updates – oder aber das mangelhafte
Fahrzeug zu ersetzen.

Und es ist nicht die Zeit für faule Ausreden. Ein Beispiel: VW
konnte seinen Nettogewinn von 2016 auf 2017 auf jetzt 11,4 Milliarden
Euro verdoppeln. Der Konzernchef knackt die groß angekündigte
Gehaltsobergrenze von läppischen 10 Millionen Euro bereits ein Jahr
nach ihrer Einführung – wer sich so präsentiert, der hat auch das
Geld, seine Kunden angemessen zu entschädigen. Und es darf nicht
sein, dass die Menschen dabei auf den Goodwill der Konzerne
angewiesen sind. Wir brauchen endlich eine Waffengleichheit.

Das richtige Instrument dafür ist die Musterfeststellungsklage,
die von der Union aus nahe liegenden Gründen lange blockiert wurde
und von uns im Koalitionsvertrag auf Bundesebene endlich durchgesetzt
worden ist. Spätestens zum 1. November diesen Jahres wird das neue
Gesetz in Kraft treten! Blockiert haben Sie das übrigens auch hier in
Schleswig-Holstein: Unser Antrag zur Musterfeststellungsklage war im
September im Landtag. Seitdem lassen Sie ihn im Ausschuss verhungern,
weil Sie sich wieder einmal nicht auf eine Linie einigen können.

Ich will das noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, weil es
offenbar noch immer nicht bei allen angekommen ist: Man sichert die
Industriearbeitsplätze in Deutschland nicht durch falsch verstandene
Zurückhaltung gegenüber der Automobilindustrie. Es braucht jetzt den
massiven Druck zur Entwicklung und Herstellung von zukunftsfähigen,
nachhaltigen und umweltschonenden Autos. Das und nichts anderes
sichert die Arbeitsplätze und ist kluge Industriepolitik.

Neben dem Druck auf die Automobilindustrie dürfen wir zum anderen
unsere Kommunen nicht im Stich lassen. Hier ist die Landesregierung
gefragt. Wir erwarten Unterstützung für die Kommunen bei den
Luftreinhalteplänen ebenso wie durch Förderprogramme. Und wir müssen
zügig den Pendlern ein besseres Angebot machen. Durch einen
abgestimmten ÖPNV, durch zügig vorangetriebene E-Mobilität, oder dem
Umstieg aufs Rad durch verbesserte Bedingungen. Und das alles sind im
Übrigen nicht nur Beiträge für saubere Luft, sondern auch für den
Klimaschutz. Die Zeit ist reif.

Pressekontakt:
Pressesprecher: Heimo Zwischenberger (h.zwischenberger@spd.ltsh.de)

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