Ein Großteil der etwa 220 Millionen
Beschäftigten in der Europäischen Union ist abhängig von der
effektiven Vermarktung der von ihnen hergestellten Waren und
erbrachten Dienstleistungen. Der aktuelle Verhandlungsstand der
europäischen Datenschutzreform in Brüssel lässt befürchten, dass
bewährte Vermarktungswege durch bürokratische Überregulierung
unangemessen eingeengt werden. Das Statistische Bundesamt hat die
Auswirkungen einiger Regelungen untersucht und schätzt, dass die
deutsche Industrie bereits im ersten Jahr mit etwa EUR 1,5 Milliarden
an zusätzlichen Kosten belastet werden wird, zuzüglich laufender
Kosten pro Jahr nach der Umstellung von EUR 1 Milliarde. Dies
berichtete gestern z.B. die Süddeutsche Zeitung. Der Deutsche
Dialogmarketing Verband e.V. (DDV) fordert mehr Augenmaß bei der
Reform des Europäischen Datenschutzrechts.
Die Justiz- und Innenminister im Rat der Europäischen Union wollen
am 15./16. Juni 2015 ihre Positionen zur Reform der europäischen
Datenschutzreform weitgehend abstimmen, um anschließend Verhandlungen
mit dem Europäischen Parlament aufnehmen zu können. Zur Vorbereitung
der Ratssitzung werden zwischen den Mitgliedstaaten Kompromisse
verhandelt, die erhebliche Folgen für die europäische Wirtschaft mit
sich bringen können. Aus Sicht des Marketings stehen besonders die
künftigen Möglichkeiten zur effektiven Ansprache von Bestandskunden
und potentiellen Neukunden im Fokus.
Je nach Ausgang der Verhandlungen im Rat sind im Vergleich zur
geltenden Rechtslage in Deutschland insbesondere folgende
Einschränkungen bei der Neukundengewinnung zu befürchten:
1. Anschriften aus öffentlich zugänglichen Verzeichnissen dürfen
nicht verwendet werden.
2. Die Möglichkeit der sinnvollen Auswahl von Anschriften zum
Zwecke der Zusendung maßgeschneiderter Angebote wird eingeschränkt.
3. Unternehmen dürfen keine Anschriften mit anderen Unternehmen
austauschen.
4. Es wird keine ausreichende Flexibilität für die Werbung
zwischen Unternehmen geben.
5. Spendenorganisationen werden keine Anschriften für
Spendenwerbung austauschen dürfen.
6. Bevor Adressen für eine Werbung ausgewählt werden, sind die
Adressaten hiervon und über ihr Widerspruchsrecht zu informieren,
selbst wenn sie für die Aussendung von Werbematerial nicht ausgewählt
werden.
Solche strikten Verbote können nur durch Einwilligungen überwunden
werden. Diese einzuholen, ist in der Praxis jedoch praktisch
unmöglich. Unter diesen Einschränkungen würden besonders
mittelständische Unternehmen leiden. Sie können die geplanten hohen
bürokratischen Hindernisse kaum bewältigen. Ohne effektive
Möglichkeiten der Bewerbung von Neukunden bleibt den kleineren und
mittleren Unternehmen der europäische Markt verschlossen. Sie müssen
um ihre Existenz bangen und können keinen Beitrag zum
Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union leisten. Es ist deshalb
von großer Bedeutung für den Erfolg der Europäischen Union, dass in
Brüssel angemessene Regeln zum Datenschutz geschaffen werden. Nach
geltendem deutschen Recht ist es zulässig, die Anschriften von
potentiellen Neukunden nach sinnvollen Kriterien auszuwählen und
ihnen maßgeschneiderte Angebote zuzusenden. Unternehmen dürfen dafür
auch Anschriften aus öffentlich zugänglichen Verzeichnissen
verwenden. Für Werbung zwischen Unternehmen und für Spendenwerbung
wird ein angemessener Spielraum eröffnet. Außerdem dürfen Unternehmen
die Werbung anderer Unternehmen versenden und Anschriften
austauschen.
Gleichzeitig wird den Bedürfnissen des Datenschutzes in
Deutschland in hohem Maße Rechnung getragen. Es gelten ausreichende
Transparenzpflichten und ein ständiges Widerspruchrecht der
Adressaten. Außerdem werden elektronische Werbeformen (E-Mail,
Telefax oder Telefon) eingeschränkt. Im Internet ist die Verwendung
pseudonymisierter Daten vorgeschrieben. Besonders sensible
Verbraucherprofile dürfen nur mit Einwilligung zu Werbezwecken
verarbeitet werden.
„Das in Deutschland über viele Jahre entwickelte Gleichgewicht
zwischen einem hohen Datenschutzstandard und funktionierenden Regeln
für die Wirtschaft steht je nach Ausgang der Verhandlungen in Brüssel
auf dem Spiel. Eine weitergehende europäische Harmonisierung im
Bereich des Datenschutzrechts ist begrüßenswert, sollte aber die
Wirtschaft fördern und nicht unangemessen behindern“, so Patrick
Tapp, Präsident des DDV.
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