Familien- und erbrecht gehören zusammen

Familien- und erbrecht gehören zusammen
Gefahren für Patch-Workfamilien
 

Frage: Herr Kirchhoff, Sie sind sowohl im Familienrecht als auch im Erbrecht tätig. Warum haben Sie sich gerade für diese beiden Rechtsgebiete entschieden?

Rechtsanwalt Kirchhoff: Beide Rechtsgebiete betreffen den Kernbereich menschlichen Zusammenlebens – die Familie. Im Familienrecht begleite ich Menschen in sehr persönlichen Situationen: bei Trennung, Scheidung oder Fragen zur elterlichen Sorge. Im Erbrecht geht es ebenfalls um familiäre Beziehungen, aber meist um die Konsequenzen, die nach dem Tod eines Angehörigen entstehen. Diese Themen sind emotional, aber auch rechtlich eng verflochten. Ich habe mich für diese Kombination entschieden, weil ich überzeugt bin, dass man nur dann wirklich gute Lösungen findet, wenn man beide Seiten versteht – das Leben mit der Familie und die rechtlichen Folgen nach ihrem Ende.

Frage: Warum sollten Familienrecht und Erbrecht idealerweise vom gleichen Anwalt bearbeitet werden?

Kirchhoff: Weil sich viele Sachverhalte überschneiden. Nehmen wir die Scheidung: Mit ihr endet nicht nur die Ehe, sondern auch das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten. Wer also eine Scheidung einreicht, sollte gleichzeitig prüfen, wie das Testament anzupassen ist. Ich erlebe häufig, dass Menschen nach der Trennung zwar die Ehe auflösen, aber kein neues Testament errichten – und damit bleibt der Ex-Partner unter Umständen weiterhin begünstigt.

Auch im umgekehrten Fall spielt das Familienrecht eine Rolle: Wenn jemand plant, bestimmte Familienmitglieder zu enterben oder Stiefkinder zu berücksichtigen, muss man die familienrechtlichen Bindungen genau kennen. Nur so lassen sich Pflichtteilsrechte, Zugewinnausgleich und Vermögensnachfolge rechtssicher gestalten.
Kurz gesagt: Wer nur das eine Rechtsgebiet beherrscht, sieht oft nicht die ganze rechtliche Landschaft. Ich verstehe meine Aufgabe darin, das große Ganze im Blick zu behalten.

Frage: Was macht diese Kombination in Ihrer täglichen Arbeit besonders?

Kirchhoff: Sie erfordert viel Feingefühl. Familien- und Erbrecht sind keine trockenen Paragrafenfelder – es geht immer um Menschen, Beziehungen und oft auch um Konflikte, die über Jahre gewachsen sind. Wenn man die emotionalen Hintergründe versteht, kann man juristisch bessere und gerechtere Lösungen erarbeiten.

Viele meiner Mandanten kommen zu mir, weil sie eine Phase der Neuorientierung erleben: eine Scheidung, eine Wiederverheiratung oder den Wunsch, ihr Vermögen gezielt zu vererben. In diesen Momenten greifen beide Rechtsgebiete ineinander. Wer das versteht, kann vorausschauend handeln statt nur zu reagieren.

Frage: Welche Rolle spielen dabei moderne Familienformen, wie Patchwork-Familien oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften?

Kirchhoff: Eine sehr große. Das klassische Bild der Familie – verheiratetes Paar mit gemeinsamen Kindern – ist längst nicht mehr die Regel. Heute haben wir Patchwork-Familien mit Kindern aus verschiedenen Beziehungen, nichteheliche Lebensgemeinschaften oder eingetragene Lebenspartner. Das Erbrecht hinkt dieser Realität teilweise hinterher.

Gerade in Patchwork-Familien ist es entscheidend, das Familien- und Erbrecht gemeinsam zu denken. Ein Beispiel: Stiefkinder, die nicht adoptiert wurden, haben kein gesetzliches Erbrecht gegenüber dem Stiefelternteil. Das kann zu erheblichen Ungerechtigkeiten führen, wenn keine Vorsorge getroffen wird. Wer also in einer neuen Partnerschaft lebt, sollte testamentarisch regeln, was nach seinem Tod mit dem Vermögen geschieht – sonst greift das starre Gesetz, nicht die persönliche Gerechtigkeitsvorstellung.

Hier ist meine Doppelqualifikation besonders hilfreich, weil ich die emotionalen Dynamiken aus dem Familienrecht kenne und sie in die erbrechtliche Gestaltung einbeziehe.

Frage: Gibt es typische Fehler, die Menschen begehen, wenn sie Familien- und Erbrecht getrennt voneinander betrachten?

Kirchhoff: Ja, und leider mit gravierenden Folgen. Der häufigste Fehler ist, nach einer Scheidung kein neues Testament zu verfassen. Auch bei Wiederverheiratungen kommt es oft zu Verwirrung: Der neue Ehepartner wird automatisch gesetzlicher Erbe, während Kinder aus erster Ehe häufig benachteiligt werden.

Ein weiterer Fehler ist, bei der Vermögensaufteilung in der Ehe – etwa durch Ehevertrag – nicht gleichzeitig zu bedenken, wie sich das später auf die Erbfolge auswirkt. Ein Ehevertrag kann den Zugewinnausgleich regeln, aber auch den Pflichtteilsanspruch beeinflussen. Wer das nicht im Zusammenspiel betrachtet, riskiert Lücken oder ungewollte Ergebnisse.
Mein Ansatz ist deshalb immer ganzheitlich: Ich sehe die Familie als System und prüfe, wie sich jede rechtliche Entscheidung auf das Ganze auswirkt.

Frage: Was ist Ihnen persönlich wichtig, wenn Sie Mandanten in diesen Fragen beraten?

Kirchhoff: Vertrauen und Klarheit. Viele Menschen scheuen sich, über Trennung oder Tod zu sprechen – verständlicherweise. Aber wer rechtzeitig vorsorgt, erspart seinen Angehörigen später viel Streit und Unsicherheit. Ich versuche, die Themen greifbar und sachlich zu machen, ohne die emotionale Seite zu vernachlässigen.

Am Ende geht es immer um den Schutz von Familie – ob zu Lebzeiten oder über den Tod hinaus. Deshalb gehören Familienrecht und Erbrecht für mich untrennbar zusammen.

Fazit:

Das Interview mit Rechtsanwalt Kirchhoff zeigt, wie eng Familien- und Erbrecht miteinander verwoben sind. Wer familiäre Veränderungen erlebt – Scheidung, Wiederverheiratung, Patchwork-Konstellationen oder Adoption – sollte beide Rechtsgebiete gemeinsam betrachten. Nur so lassen sich rechtliche Sicherheit und familiärer Frieden langfristig bewahren.