GKV-Arzneimittelindex: So viele teure neue Medikamente wie nie zuvor

Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 45 neue
Arzneistoffe auf den Markt gebracht, so viele wie nie zuvor.
Gleichzeitig gab es noch nie so viele neue Arzneimittel, die so teuer
waren. Darunter befindet sich auch das Arzneimittel Sovaldi mit dem
neuen Wirkstoff Sofosbuvir, das zur Behandlung von Hepatitis C
eingesetzt wird und zu Therapiekosten von bis zu 120.000 Euro führen
kann. „Allein das Arzneimittel Sovaldi, das Mitte Februar 2014 in den
deutschen Markt eingeführt wurde, hat im vergangenen Jahr bereits zu
Mehrkosten in Höhe von knapp 450 Millionen Euro geführt“, so Helmut
Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen
Instituts der AOK (WIdO), anlässlich der Veröffentlichung der
aktuellen Arzneimittelklassifikation des GKV-Arzneimittelindexes.

Mit 45 neu eingeführten Wirkstoffen ist 2014 das Niveau der
Vorjahre deutlich übertroffen worden. So wurden 2013 nur 26 neue
Arzneimittel eingeführt, im bisherigen Spitzenjahr 2009 waren es 36.
Mit 14 Medikamenten befinden sich unter den Neueinführungen
ungewöhnlich viele so genannte Orphan Drugs, also Arzneimittel, die
für die Behandlung seltener Erkrankungen zugelassen und nur für sehr
wenige Patienten nutzbar sind. Gleichzeitig gab es unter den neuen
Arzneimitteln noch nie so viele teure Packungen. Bei den 45
Neueinführungen hatten 8 verordnete Wirkstoffe mindestens eine
Packung mit einem Preis über 10.000 Euro. In den vorangegangenen
Jahren waren es jeweils deutlich weniger.

Der Blick auf das Wirkstoffprofil des Jahres 2014 zeigt, dass mit
20 Wirkstoffklassen bereits mehr als 75 Prozent des Nettoumsatzes
erreicht wurden. Besonders kostenintensiv waren Arzneimittel zur
Behandlung von Krebserkrankungen sowie Wirkstoffe, die das
Immunsystem beeinflussen. Diese beiden Bereiche machten im
vergangenen Jahr allein 18 Prozent des Nettoumsatzes aus.

Neben vielen Neueinführungen zur Behandlung von Krebserkrankungen
(5) und zur Behandlung von Diabetes (4) fällt vor allem die hohe
Anzahl an neuen patentgeschützten Wirkstoffen gegen infektiöse
Erkrankungen (7) auf, hierzu zählen die neuen Arzneimittel zur
Behandlung der Hepatitis C. Nach ersten Schätzungen konnten damit
2014 rund 7.800 Patienten auf eine neue Hepatitis-C-Therapie
umgestellt werden. Durch den sukzessiven Markteintritt dieser neuen
Hepatitis-C-Produkte wird erwartet, dass sich die 2014 gestartete
Umstellung im laufenden Jahr noch beschleunigt. Von den geschätzten
ca. 100.000 Patienten mit Hepatitis C werden dann zunehmend mehr mit
den neuen Arzneimitteln therapiert.

Die aktuellen Analysen des WIdO basieren auf der überarbeiteten
ATC-Klassifikation mit Tagesdosen für das Jahr 2015. Experten aus
Wissenschaft und Praxis können mit der Klassifikation herausfinden,
welche der über 68.000 verschiedenen verordneten
Arzneimittelpackungen mit welchen der ca. 2.450 unterschiedlichen
Wirkstoffen/Wirkstoffkombinationen in welchen Mengen im Jahr 2014
verbraucht wurden. Insgesamt 651 Millionen Arzneimittelpackungen
haben die 70 Millionen Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen in
Deutschland 2014 von niedergelassenen Ärzten und Zahnärzten verordnet
bekommen. In diesen Arzneimitteln waren 39,6 Milliarden Tagesdosen
enthalten. Jeder Versicherte hat durchschnittlich 563 Tagesdosen
verbraucht und somit täglich mehr als 1,5 Arzneimittel eingenommen,
so das WIdO.

Hintergrund:

Seit 1981 analysiert das WIdO mit dem GKV-Arzneimittelindex den
deutschen Arzneimittelmarkt. Ziel ist eine verbesserte Anwendungs-
und Markttransparenz. Denn erst die eindeutige Zuordnung von
Arzneimitteln mithilfe der ATC-Systematik und die Messung der
verordneten Arzneimittelmenge mit definierten Tagesdosen (defined
daily doses, DDD) ermöglichen eine tiefergehende und reproduzierbare
Analyse der Verordnungsdaten. Hierfür stellt die aktuelle
Klassifikation Kategorien für mehr als 7.000 Wirkstoffe und
Wirkstoffgruppen sowie die jeweils zugehörigen Tagesdosen (DDD) als
Maßeinheit zur Messung des Verbrauches bereit.

Die Arzneimittelklassifikation des GKV-Arzneimittelindex basiert
auf dem international geltenden anatomisch-therapeutisch-chemischen
(ATC) System der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und wurde speziell
an die Situation des deutschen Arzneimittelmarktes angepasst und
erweitert. „Seit nunmehr 13 Jahren wird die Systematik einschließlich
der vollständigen Methodik der ATC-Klassifikation und DDD-Festlegung
jährlich veröffentlicht und hat sich in der Fachwelt als methodischer
„Goldstandard“ bei der Durchführung von Arzneimittelanalysen und in
der Arzneimittelverbrauchsforschung etabliert“, so der
stellvertretende WIdO-Geschäftsführer Schröder.

Zu den Nutzern zählen beispielsweise die
GKV-Arzneimittelschnellinformation (GAmSI), die Ärzten Informationen
über ihr Verordnungsverhalten zur Verfügung stellt. Seit 2009 dient
die Klassifikation auch der Identifikation erkrankter Versicherter im
Rahmen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleiches. Bei der
frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln nach Paragraf 35a Fünftes
Sozialgesetzbuch (SGB V/AMNOG) beruhen die Berechnungen der
Therapiekosten ebenfalls auf der ATC/DDD-Klassifikation. Darüber
hinaus werden die Klassifikationen von zahlreichen Universitäten für
Projekte in der Versorgungsforschung genutzt. Die nun publizierte
Klassifikation des GKV-Arzneimittelindex wird – wie bereits seit neun
Jahren – unter Einbindung von Krankenkassen, Ärzten, Apothekern und
Pharmaindustrie im Rahmen der Arbeitsgruppe ATC/DDD des Kuratoriums
für Fragen der Klassifikation im Gesundheitswesen vom
Bundesministerium für Gesundheit zum 1. Januar 2016 amtlich erklärt.

Die ATC-Systematik des GKV-Arzneimittelindex berücksichtigt sowohl
die aktuelle internationale Systematik als auch nationale Anpassungen
für Deutschland und bildet damit den gegenwärtigen Arzneimittelmarkt
in Deutschland umfassend ab. Die vollständige Publikation des
ATC-Index mit DDD-Angaben einschließlich der Methodik der
ATC/DDD-Klassifikation ist ab sofort auf der Website des WIdO
kostenfrei als Download abrufbar.

Mehr Infos im Internet: http://wido.de/arz_atcddd-klassifi.html

Uwe Fricke, Judith Günther, Anette Zawinell, Rana Zeidan
Anatomisch-therapeutisch-chemische Klassifikation mit Tagesdosen
für den deutschen Arzneimittelmarkt
Methodik der ATC-Klassifikation und DDD-Festlegung.
ATC-Index mit DDD-Angaben.
Stand April 2015
Berlin 2015

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Wissenschaftliches Institut der AOK
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