Grundeinkommen trifft Unternehmertum

Grundeinkommen trifft Unternehmertum
Ein Gastbeitrag von Jürgen Cuje (Die Bildrechte liegen bei dem Verfasser der Mitteilung.)
 

Was motiviert Menschen, wenn Geld nicht mehr der einzige Antrieb ist? Das Pilotprojekt Grundeinkommen liefert erste Antworten – mit überraschenden Implikationen für Unternehmen, Führungskräfte und die Arbeitskultur. Wenn finanzielle Existenzängste reduziert werden, verändern sich Entscheidungsfreiheit, Kreativität und Mut der Menschen – und damit auch ihr Verhältnis zur Arbeit.

Studienlage: Sicherheit schafft Perspektiven

Zwischen 2021 und 2024 erhielten 122 zufällig ausgewählte Personen im Rahmen des Projekts Mein Grundeinkommen über drei Jahre hinweg ein bedingungsloses Einkommen von monatlich 1.200Euro. Die wissenschaftliche Begleitung durch das DIW Berlin zeigt: Die Empfänger reduzierten ihre Arbeitszeit nicht signifikant, sondern investierten häufiger in Weiterbildung, wechselten eher den Job und gaben an, zufriedener mit ihrer Erwerbstätigkeit zu sein.

Diese Ergebnisse widersprechen der weitverbreiteten Befürchtung, ein Grundeinkommen führe zu Arbeitsverweigerung. Stattdessen offenbaren sie ein differenziertes Bild: Die finanzielle Basis ermöglicht offenbar mehr Autonomie – und fördert damit nicht weniger, sondern andere Formen von Produktivität.

Unternehmenskultur im Umbruch

Auch ohne Grundeinkommen zeigen sich strukturelle Defizite in der Arbeitswelt: Laut einer Studie von softgarden (2023) kündigt fast jede:r zweite Beschäftigte innerhalb des ersten Jahres. Die fünf Hauptgründe: zu niedriges Gehalt (43%), unzufriedenstellende Führung (43%), schlechte Teamkultur (34%), unklare Aufgabenverteilung (34%) und hoher Stresslevel (30%). Es geht also nicht allein um Entlohnung – sondern um Führung, Sinn und Arbeitsumfeld.

Die Ergebnisse des Pilotprojekts unterstreichen diese Entwicklung. Die Teilnehmer gaben an, dass die durch das Grundeinkommen gewonnene Sicherheit zu einem besseren Umgang mit ihrer Arbeitssituation führte – etwa durch gezielte Weiterentwicklung oder bewusste Jobwechsel. Für Arbeitgeber bedeutet das: Die Identifikation mit der Aufgabe und eine transparente Unternehmenskultur rücken stärker in den Mittelpunkt.

Generationsübergreifende Erwartungen

Im Fokus der Studie standen junge Berufstätige zwischen 21 und 40 Jahren – eine Altersgruppe, die für Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels zunehmend relevant wird. In der öffentlichen Debatte prallen dabei oft Klischees aufeinander: Während die Generation Z als anspruchsvoll und arbeitsskeptisch gilt, fordern die Babyboomer Leistungsbereitschaft und Loyalität.

Der Generationenforscher Simon Schnetzer differenziert:

„Die Jugend will nicht weniger arbeiten – sie will anders arbeiten.“

Tatsächlich wünschen sich laut einer Umfrage 82% der unter 30-Jährigen eine Vier-Tage-Woche – nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus dem Bedürfnis nach Ausgleich und Sinn. Führungskräfte müssen diese neuen Erwartungen verstehen, um nachhaltige Bindung und Motivation zu fördern.

Der neue Wert von Arbeit

Das bedingungslose Grundeinkommen zwingt Unternehmen nicht zum Umdenken – aber es lädt dazu ein. Es macht sichtbar, was jenseits von Gehalt und Boni zählt: Wertschätzung, Selbstwirksamkeit und Identifikation. Gerade in wissensintensiven Branchen wird der „Wert“ eines Mitarbeitenden künftig weniger über Arbeitsstunden als über Engagement, Innovationskraft und Haltung definiert.

Unternehmen, die diesen Wandel aktiv begleiten, sichern nicht nur ihre Wettbewerbsfähigkeit. Sie positionieren sich als attraktive Arbeitgeber in einem Umfeld, in dem der Sinn der Arbeit mehr denn je über Leistung entscheidet – nicht allein das Gehalt.