Wachstum schaffen in Euro-Problemländern
schwierig / Aufteilung Eurozone in Nord- und Süd-Euro nicht sinnvoll
/ Entwertung der Schuldenberge durch Umschuldung oder Inflation / EZB
zerstört mit üppiger Geldversorgung das Zinsgefüge der Spareinlagen
Frankfurt, 20. Juni 2012 – „Ich halte die Wahrscheinlichkeit für
sehr groß, dass François Hollande und Angela Merkel ziemlich beste
Freunde werden“, sagte Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen
Weltwirtschaftsinstituts, im Interview mit dem Anlegermagazin ,Börse
Online– (Ausgabe 26/2012, EVT 21. Juni). Beide Politiker seien
relativ unprätentiös, uneitel, nüchtern, pragmatisch und
bodenständig, eine fantastische Voraussetzung für den Beginn einer
wunderbaren Freundschaft. Als kluge Politiker müssten sie heute das
Volk mitnehmen und – wie jetzt im Fall Frankreich – deutlich machen,
dass sie sich stärker um Fragen der Verteilung und Gerechtigkeit
kümmern, als es in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war. „Nur so
haben sie überhaupt eine Chance, die eine oder andere Reform
durchzubringen“, meinte Straubhaar.
In den Euro-Problemländern wieder Wachstum zu schaffen sei
schwierig, weil jedes südeuropäische Land anders sei. „Für einige
Staaten ist die Strategie des Sparens, genannt Fiskal-Pakt, genau das
Richtige, für andere genau das Falsche.“ In Griechenland sei Sparen
angesagt, weil dort das fundamentale Problem die Überschuldung des
Staates sei. „Andererseits, wenn man dort jetzt ein hartes
Konsolidierungsprogramm fährt, wird man am Ende des Tages nicht
gesündere Staatshaushalte haben, sondern kränkere“, warnt Straubhaar
gegenüber –Börse Online–. Die Griechen bräuchten eine Art
Marshall-Plan, womit aber nicht finanzielle Hilfe, sondern im
Wesentlichen institutionelle Hilfe gemeint sei. „Griechenland ist ein
nicht regierbares Land, es gibt keine staatlichen Institutionen, die
europäischen Standards entsprechen“, so der HWWI-Direktor.
In Spanien sei die Situation ganz anders. Spanien habe nicht das
Problem überbordender Staatsausgaben, sondern ein Kostenproblem. „Das
lässt sich nicht durch Sparen lösen, sondern mit Kostensenkung“,
folgert Straubhaar. Entweder nehme man Reallohnkürzungen in Kauf oder
Massenarbeitslosigkeit. „Derzeit werden die Kosten reduziert, indem
Leute entlassen werden.“
Von einer Aufteilung der Europäischen Währungsunion in einen Nord-
und einen Süd-Euro hält Straubhaar nichts: „Wer entscheidet, wer mit
Deutschland zu den Lieben gehört und mit Frankreich zu den Bösen?“
Das würde auch bedeuten, dass der Nord-Euro gewaltig aufwerten
müsste. „Wir müssten unsere Guthaben entsprechend abschreiben, nicht
nur gegenüber Griechenland, sondern auch gegenüber Frankreich und den
anderen Staaten. Das könnten wir nicht schultern.“
Aus dem Euro herauszugehen, sei eben etwas anderes, als nicht in
ihn hineinzugehen. „Ist man erst mal drin, ist es nicht mehr möglich,
von einer Zukunft ohne den Euro zu philosophieren“, sagte Straubhaar.
Dann gebe es kein kostenloses Zurück mehr. Deshalb gelte:
„Mitgegangen, mitgefangen.“
Eine Lehre aus den Ereignissen sei, dass heute alle großen
Notenbanken außer der EZB in viel stärkerem Maße als ursprünglich
erwartet eine Art letzter Hafen darstellten und direkt oder indirekt
Staatsanleihen kauften. Letztlich gehe es darum, von den hohen
Schuldenbergen herunterzukommen. „Ich vermute, man darf sich keinen
Illusionen hingeben, dass diese allein durch Sparen und
Haushaltssanierung abgetragen werden können. Bleibt, sie real zu
entwerten.“ Das geschehe durch Umschuldung oder Inflation.
Die EZB werde kaum umhinkommen, höhere Preissteigerungsraten zu
tolerieren. „Allerdings ist die Krise im Süden Eurolands so tief,
dass für den Euroraum eine Inflation von drei, vier Prozent aus
heutiger Sicht noch kaum erkennbar ist“, beruhigte Straubhaar. Die
Länder hätten nach den geplatzten Spekulationsblasen sehr hohe
Überkapazitäten auf dem Arbeitsmarkt und dem Immobilienmarkt. „Das
ist nicht das Umfeld, in dem in den nächsten drei bis fünf Jahren
groß eine Kosten-Preis-Spirale in Gang käme.“
Mit ihrer üppigen Geldversorgung habe die EZB das Zinsgefüge der
Spareinlagen zerstört, sagte Straubhaar. „Keine Bank wird Sparern
viel mehr als ein Prozent geben, wenn sie sich das Geld für ein
Prozent bei der EZB holen kann.“ Die Folge sei, dass ich mich als
Deutscher bei einfachen Spareinlagen mit extrem niedrigen Zinsen
begnügen, aber eine Inflation von über zwei Prozent hinnehmen müsse.
„Realwirtschaftlich ist das der Preis, den wir als risiko-averse
Anleger – und das sind die meisten Deutschen – für den Boom der
vergangenen Jahre und die Euro-Rettung von heute leisten.“
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