„Ich musste den Euro durchsetzen, gegen das Gerede zu Italien und Griechenland“ – Zitate aus „Helmut Kohl – das Interview“

Stolz auf den Euro, Abfälliges über Parteifreunde,
Bekenntnisse zum Freitod von Ehefrau Hannelore – zum 85. Geburtstag
von Helmut Kohl veröffentlichen der NDR und die Videoplattform
dbate.de große Teile eines viertägigen Interviews von 2003. Vor dem
Hintergrund der aktuellen Eurokrise sind vor allem die bislang
unveröffentlichten Aussagen des Altkanzlers zur Währungsunion
aufschlussreich. Das Erste, die Videoplattform dbate.de,
tagesschau.de, tagesschau24 und Phoenix zeigen vom 24. März an
mehrstündige Ausschnitte des ungewöhnlichen Interviews, das in dieser
Länge zum ersten Mal zu sehen ist.

Helmut Kohl sprach in dem Interview ausführlich darüber, wie er
sich bei der Einführung des Euro über die Warnungen von
Wirtschaftswissenschaftlern hinwegsetzte. Wörtlich sagte er: „Ich
musste es durchsetzen … Es gab damals ja Gerede, eine Währung, in
der Italiener und Griechen dabei sind, kann niemals eine ordentliche
Währung werden.“ Natürlich konnte Helmut Kohl zum Zeitpunkt des
Interviews nicht wissen, dass Griechenland die Eurozone ein Jahrzehnt
später in eine tiefe Krise stürzen würde und dass auch ihm Fehler bei
der Einführung des Euro angelastet werden würden. Helmut Kohl war
sich bewusst, dass er sich nicht nur über die Skepsis von Experten
hinwegsetzte, sondern auch über Widerstände in der Bevölkerung. „Eine
Volksabstimmung über die Einführung des Euro und die Abschaffung der
D-Mark hätten wir mit großer Wahrscheinlichkeit verloren“, so Helmut
Kohl.

Sehr abfällig äußerte sich Kohl vor allem über die Parteifreunde,
von denen er sich während der CDU-Parteispendenaffäre schlecht
behandelt fühlte. Norbert Blüm? „Der Mann ist mir völlig egal.
Deswegen will ich überhaupt nicht seinen Namen in den Mund nehmen.“
Richard von Weizsäcker? „Mir fällt nichts mehr zu ihm ein. Überhaupt
nichts.“ Und Rita Süssmuth? „Alles, was sie wurde, wurde sie durch
mich. Es gab immer wegen ihr Krach.“

Das ungewöhnlich umfangreiche Fernseh-Interview, das die Autoren
Stephan Lamby und Michael Rutz an vier Tagen im Frühjahr und Herbst
2003 in Kohls Privathaus in Ludwigshafen-Oggersheim führten, war
jedoch weit mehr als eine Abrechnung. Helmut Kohl erzählte in
seltener Offenheit von seinem privaten und politischen Leben und
berichtete dabei auch wenig bekannte Details zu seinem Aufstieg. So
hätten etwa Parteifreunde versucht, seine Wahl zum Bundeskanzler zu
verhindern. Im Jahr 1979 sollte Helmut Kohl sogar weggelobt werden:
„Franz Josef Strauß hat sich auf den Weg gemacht, um meine Kandidatur
zu verhindern … Dann gab es eine ganz massive, kaum an die
Öffentlichkeit geratene Welle der Unterstützung von wichtigen Leuten,
ich solle Bundespräsident werden“. Zu diesen „wichtigen Leuten“
gehörte laut Kohl auch der Verleger Axel Cäsar Springer. Doch Helmut
Kohl hielt an seinem Ziel, Bundeskanzler zu werden, fest. Nach Kohls
Darstellung haben kurz vor dem Regierungswechsel 1982 einflussreiche
Kreise erneut versucht, seine Wahl zum Bundeskanzler zu verhindern:
„Eine Reihe wesentlicher Repräsentanten des Bundesverbands der
Deutschen Industrie traf sich mit einigen aus der FDP, sie waren sich
einig, dass es eine Koalition von CDU/CSU und FDP geben müsse – aber
nicht mit mir, weil ich zwar wirtschaftsfreundlich, aber nicht
industriefreundlich sei.“

Der Kandidat seiner Gegner war, so Kohl, der frühere
CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep. Als Helmut Kohl allen
Widerständen zum Trotz schließlich Bundeskanzler wurde, wollte er
einen prominenten Fernsehjournalisten vom WDR abwerben: „Ich bin sehr
ernsthaft mit dem Gedanken umgegangen, Friedrich Nowottny als Chef
des Bundespresseamtes zu gewinnen.“ Nowottny blieb beim WDR – und
wurde Intendant.

Ausführlich hat sich Helmut Kohl in dem Fernseh-Gespräch auch über
den Freitod seiner Ehefrau Hannelore im Jahr 2001 geäußert. So sei
ihm die Absicht seiner Frau, sich das Leben zu nehmen, bewusst
gewesen: „Nicht der konkrete Moment. Aber wir haben ja darüber
geredet. Dass sie darüber nachdachte, das wusste ich.“

Einige Passagen des Interviews wurden damals bereits in der
NDR/ARD-Dokumentation „Helmut Kohl – ein deutscher Kanzler“ gezeigt.
Die Sendetermine der mehrstündigen Ausschnitte im Überblick:

Das Erste

In der Nacht von Dienstag, 24. März, auf Mittwoch, 25. März, 0.20
Uhr: „Helmut Kohl – Das Interview“, Teil 1: „Aufstieg und Macht“

In der Nacht von Mittwoch, 25. März, auf Donnerstag, 26. März,
0.20 Uhr: „Helmut Kohl – Das Interview“, Teil 2: „Triumph und
Abgründe“

dbate.de
Dienstag, 24. März, ab 9.00 Uhr

Tagesschau.de
Ab Freitag, 3. April

tagesschau24
Donnerstag, 26. März, 22.45 Uhr:
„Helmut Kohl – Das Interview“, Teil 1
Freitag, 27. März, 22.45 Uhr:
„Helmut Kohl – Das Interview“, Teil 2

Phoenix
Sonntag, 29. März, 14.00 Uhr:
„Helmut Kohl – Das Interview“, Teil 1 und Teil 2

Sie finden das dreistündige Interview zur Ansicht im digitalen
Vorführraum des NDR Presseportals (www.NDR.de/presse) sowie im
Vorführraum des Ersten (https://presse.daserste.de)

Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Iris Bents
Tel.: 040/4156-2304