– Völkerrechtliche Verpflichtung für inklusives Schul- und
Bildungssystem auf Landesebene umsetzen
– Übergangsfristen
– Kritik an zögerlicher Haltung der Landesregierung
Die Landesarbeitsgemeinschaft „Gemeinsam leben – gemeinsam lernen“
Baden-Württemberg (LAG) hat heute vor der Landespressekonferenz in
Stuttgart einen Gesetzentwurf für ein inklusives Schul- und
Bildungssystem vorgestellt. Der Entwurf wurde gemeinsam mit der
Kanzlei Latham & Watkins LLP erarbeitet.
„Wir zeigen mit diesem Gesetzentwurf, wie es möglich ist, die
UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung umzusetzen
und ein inklusives Schul- und Bildungssystem zu entwickeln, das den
Namen zu Recht trägt“, sagte Kirsten Ehrhardt von der LAG in
Stuttgart vor Journalisten. Dies sei keine „Kür“, sondern eine
Pflichtaufgabe des Landes, um die verbindlichen völkerrechtlichen
Vorgaben in Baden-Württembergisches Landesrecht umzusetzen. Das
bisherige Parallelsystem von Sonderschulen und allgemeinen Schulen
sei weder sinnvoll noch weiter finanzierbar.
Der Gesetzentwurf umfasst drei zentrale Punkte:
1. Die Verankerung des Grundsatzes inklusiver Bildung im gesamten
Bildungswesen, d.h. angefangen in Kindertageseinrichtungen, über
Schulen bis hin zu Institutionen lebenslangen Lernens.
2. Die Begründung eines einklagbaren Rechtsanspruchs für Kinder
und Jugendliche mit Behinderung oder drohender Behinderung auf
wohnortnahe inklusive Beschulung in den allgemeinen Schulen beginnend
ab dem Schuljahr 2013/2014.
3. Die detaillierte Beschreibung einer Übergangsphase für den
bevorstehenden Transformationsprozess des Schulwesens.
Die Übergangsphase würde laut dem Entwurf folgendermaßen aussehen:
Die bisherigen Sonderschulen werden als Außenstellen in so genannte
Förderkompetenzzentren, d.h. „Schulen ohne Schüler“, eingegliedert.
Ab dem Schuljahr 2013/14 nehmen die bisherigen Sonderschulen keine
neuen Schülerinnen und Schüler mehr auf. Die Lehrkräfte der
bisherigen staatlichen Sonderschulen mit den Förderschwerpunkten
Lernen (Förderschulen), emotionale und soziale Entwicklung (Schulen
für Erziehungshilfe) sowie Sprache (Schule für Sprachbehinderte)
werden an die allgemeinen Schulen versetzt, und zwar in dem Maße, in
denen Klassen an den Förderkompetenzzentren entfallen. Die Lehrkräfte
der anderen bisherigen Sonderschulen bleiben den
Förderkompetenzzentren zugeordnet. Sie unterstützen bedarfsgerecht
inklusiven Unterricht an den allgemeinen Schulen.
Kritik übte Kirsten Ehrhardt am Verhalten der
Baden-Württembergischen Landesregierung. „Es gibt keinerlei Hinweise
dafür, dass sich die Landesregierung von dem separierenden
Schulsystem verabschieden will“, sagte sie. Zur Zeit sei nicht
geplant, auch nur eine einzige der jetzt neun Sonderschularten
abzuschaffen. In anderen Bundesländern hätten die Verantwortlichen
längst damit begonnen. Den Sonderschultyp „Lernen“ gebe es in vielen
Bun-desländern überhaupt nicht mehr. „Wenn wir allein die so
genannten Förderschulen auflösen würden, könnten in Baden-Württemberg
mehr als 20.000 Kinder sofort wieder im allgemeinen System, mit
entsprechender individueller Unterstützung, lernen“, sagte Kirsten
Ehrhardt. Dies seien bereits 40 % aller Sonderschülerinnen und
Sonderschüler mit Behinderung in Baden-Württemberg. Zusammen mit den
Schülern der „Sprachheilschulen“ und der Schulen für Erziehungshilfe
seien es sogar über 60 %.
„Es geht nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie“, sagte Dr.
Marcus Funke, Partner der Wirtschaftskanzlei Latham & Watkins LLP. In
Baden-Württemberg bestehe für die erste von einem Grünen als
Ministerpräsident geführte Landesregierung in Deutschland jetzt die
Chance und gleichzeitig die Verpflichtung, eine entschlossene
Vorreiterrolle bei der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention im
Schulsystem zu übernehmen. „Menschen mit Behinderung gehören allein
schon von Rechts wegen dazu. Überall und von Anfang an“, sagte Funke.
Die Kanzlei berät den Verband bundesweit im Rahmen ihrer Pro
Bono-Tätigkeit. Diese Tätigkeit besteht in der kostenlosen Beratung
und Vertretung gemeinnütziger Organisationen,
Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und bedürftiger
Privatpersonen sowie dem Engagement zur Förderung und Verbreitung von
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten.
Der komplette Gesetzentwurf steht auf der Homepage der
Landesarbeitsgemeinschaft: www.lag-bw.de. Auf Wunsch stellt die LAG
auch gedruckte Exemplare zur Verfügung.
Über die Landesarbeitsgemeinschaft Gemeinsam leben – gemeinsam
lernen
Die Landesarbeitsgemeinschaft „Gemeinsam leben – gemeinsam lernen“
Baden-Württemberg (LAG) ist eine Eltern-Selbsthilfegruppe „Eltern
gegen Aussonderung von Kindern mit Behinderung“ in Form eines
gemeinnützigen Vereins, in der 17 örtlichen Elterninitiativen und
über 200 Einzelmitglieder organisiert sind. Vorrangiges Ziel ist es,
dafür zu sorgen, dass die UN-Konvention über die Rechte von Menschen
mit Behinderung in allen Lebensbereichen konsequent umgesetzt wird.
Dafür tritt die LAG auch bundesweit als Mitglied der
Bundesarbeitsgemeinschaft „Gemeinsam leben – gemeinsam lernen“ ein.
Weitere Informationen unter: www.lag-bw.de
Fotos von Kindern, die schon heute inklusive Wege gehen, erhalten
Sie für Ihre Berichterstattung auf Anfrage per Mail.
Über Latham & Watkins LLP
Latham & Watkins ist eine internationale Wirtschaftskanzlei mit
mehr als 2.000 Anwältinnen und Anwälten und 31 Büros weltweit. In
Deutschland ist die Kanzlei mit insgesamt 150 Anwältinnen und
Anwälten in Frankfurt am Main, Hamburg und München vertreten. Im
Rahmen ihrer Pro Bono-Aktivitäten berät die Kanzlei die
Bundesarbeitsgemeinschaft „Gemeinsam leben – gemeinsam lernen“ und
unter anderem die Landesarbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg.
Weitere Informationen über Latham & Watkins finden Sie unter
www.lw.com.
Pressekontakt:
Pressekontakt Landesarbeitsgemeinschaft Gemeinsam leben – gemeinsam
lernen:
Claudia Heizmann (Vorsitzende)
Tel. 0721/ 350 53 67, E-Mail: kontakt@lag-bw.de
Pressekontakt Latham & Watkins LLP:
Matthias Dezes, Tel: 069 / 6062 6520, E-Mail: matthias.dezes@lw.com
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