
Kinder wollen mitbestimmen, die Erwachsenen hören aber immer
weniger zu. Das führt schon in jungen Jahren zu wachsender
Politikverdrossenheit, hat das LBS-Kinderbarometer herausgefunden.
Wollten sich 2016 noch 57 Prozent der Kinder aktiv in die
Gemeindearbeit einbringen, sind es aktuell nur noch 45 Prozent.
„Sechs von zehn Kindern fühlen sich mit ihrer Meinung in der Gemeinde
oder Stadt zudem nicht ernst genommen“, sagte
LBS-Konferenzvorsitzender Jörg Münning am Mittwoch bei der
Vorstellung der Ergebnisse 2018 anlässlich eines Barcamps zur
Mitbestimmung mit zwei Klassen einer Gelsenkirchener Gesamtschule.
Bei einem Barcamp suchen sich die Teilnehmer die Themen selbst, über
die sie diskutieren wollen.
Das größte Interesse bei den rund 50 Schülern im Alter von etwa 14
Jahren fanden dabei Problemstellungen rund um die Schule. Hier nervt
vor allem der schlechte bauliche Zustand der Gebäude und
Klassenräume. „Dabei wären die Kinder durchaus bereit, gemeinsam mit
Eltern und Lehrern anzupacken, aber sie brauchen dafür noch
Initiatoren und Vorbilder“, so Dr. Christian Schröder, Projektleiter
des LBS-Kinderbarometers.
Zum anderen wurde die oft hoffnungslos veraltete Technik beklagt.
„Regelmäßige Programmupdates in den Sommerferien sollten eigentlich
Standard sein“, forderte ein Schüler. Stattdessen würden vereinzelt
Whiteboards aufgestellt, die mit der restlichen Infrastruktur kaum
kommunizieren könnten.
14-Jährige fühlen sich allein gelassen zwischen zwei Welten
Ein weiterer Themenschwerpunkt widmete sich den Aufenthaltsräumen
– in der Schule wie auch in der Freizeit. Hier fühlen sich speziell
die 14-Jährigen zwischen zwei Welten verloren: zu groß für die
klassischen Spielplätze mit Wippe und Schaukel, zu klein für viele
Orte, wo ein Zugang erst ab 16 Jahren erlaubt ist. „Uns fehlen
Plätze, an denen wir uns treffen können“, so die einhellige Meinung
der jungen Menschen. Und wo diese vorhanden seien, seien diese
verwahrlost oder zu teuer für die regelmäßige Nutzung. „Erwachsene
sehen in uns immer die gelangweilte Handy-Generation – aber das
stimmt nicht, wir brauchen nur einfach für uns passende Angebote für
die Freizeitgestaltung.“
Vereine mit ihren Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung werden
nicht immer als Lösung gesehen. Vielfach, so die Diskussion, scheuen
die Kinder den Trainingszwang und die festgelegten Zeiten. Oder
werden wegen ihres Leistungsniveaus gar nicht erst aufgenommen. Ein
Lösungsvorschlag kam von den Schülern selbst: Warum nicht die
Schulturnhalle und den Schulhof nachmittags öffnen, eine
Aufsichtsperson wurde dabei ausdrücklich gewünscht. Sogar einen
Schulsozialarbeiter wünschen sich die Kinder – auch das verdeutlicht,
dass sie in ihrem Alter noch an die Hand genommen werden wollen, um
ihre Vorstellungen dann gemeinsam durchsetzen zu können.
Die vorhandenen Strukturen, sei es an der Schule oder in
Kommunalpolitik und -verwaltung, sind zu unbekannt. Kinder wissen
nicht, an welche Tür sie klopfen sollen, das ist ein weiteres
Ergebnis des aktuellen Kinderbarometers: Gut die Hälfte der Kinder
weiß nicht, an wen sie sich wenden müssen, wenn sie in der Stadt oder
Gemeinde etwas verändern möchten – oder auch nur auf die eigenen
Bedürfnisse aufmerksam machen wollen. Da helfen auch die neuen
Möglichkeiten der Sozialen Medien nicht, so die Meinung der
Barcamp-Teilnehmer: Die Kontaktaufnahme sei zwar vordergründig
einfacher, die Ernsthaftigkeit, die Begegnung auf Augenhöhe, leide
aber unter der Unverbindlichkeit von Facebook und Co.
In den Großstädten kennt nur ein Viertel der Kinder die
Lokalpolitiker
Je städtischer die Kinder wohnen, desto eher sind ihnen die
jeweiligen Lokalpolitiker unbekannt. In den Stadtstaaten Hamburg und
Bremen kennen gerade etwas mehr als ein Viertel der Kinder den
richtigen Ansprechpartner. Besser sieht es in den Flächenländern
Thüringen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Brandenburg
aus, hier sind es immerhin noch rund die Hälfte. „Wir Erwachsenen
sollten viel mehr die Chance ergreifen, die Ideen der jungen
Generation anzuhören und aufzugreifen“, appellierte Münning.
Noch ist Potenzial gegeben: Immerhin möchten sich fast die Hälfte
der befragten Schüler der Klassen vier bis sieben in ihrer Stadt oder
Gemeinde einbringen. Am häufigsten wollen sie bei der Stadtplanung
mitentscheiden, auch Spielplätze, Sport- und Freizeitmöglichkeiten
sind beliebte Themen. Jungen interessieren sich häufiger für das
Thema Sportstätten, Mädchen eher für Schule und Bildung. Jedes zehnte
Kind möchte grundsätzlich mitbestimmen, weiß aber nicht in welchem
konkreten Bereich. Das LBS-Kinderbarometer befragt in Zusammenarbeit
mit dem Deutschen Kinderschutzbund regelmäßig 10.000 Kinder und
Jugendliche aller Bundesländer und Schulformen nach ihrer Meinung zu
verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen (lbs-kinderbarometer.de).
ÜBER DAS LBS-KINDERBAROMETER
Das LBS-Kinderbarometer befragt in Zusammenarbeit mit dem
Deutschen Kinderschutzbund regelmäßig über 10.000 Kinder im Alter
zwischen 9 und 14 Jahren (Klasse 4 bis 7 aller Schulformen) nach
ihrer Meinung. Start war 1997 in NRW, seit 2007 sind alle
Bundesländer vertreten. Das LBS-Kinderbarometer folgt Artikel 12 der
UN-Kinderrechtskonvention „Berücksichtigung des Kinderwillens“. Es
wird vom Prokids Institut durchgeführt.
Pressekontakt:
LBS-Kinderbarometer, Dr. Christian Schröder, Himmelreichallee 40,
48130 Münster
Tel.: 0251 412-5125 oder 0171 76 110 93, Mail:
christian.schroeder@lbswest.de
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