Welche Kommune hat sie nicht, die Viertel mit
besonderem Förderbedarf? Hier machen sich die Folgen sozialer
Ungleichheit, internationaler Migrationsprozesse und der
demografische Wandel am meisten bemerkbar und beeinträchtigen das
Leben dieser Menschen. Doch so soll es nicht sein: Im Grundgesetz ist
die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit
verankert. „Um dem nachzukommen, konzipieren Kommunen Programme zur
Stadtteilentwicklung und initiieren Projekte, um eine vielfältige,
humane Lebenswelt entstehen zu lassen,“, erklärt Dr. Sandra Schiller,
die sich gemeinsam mit der Ergotherapeutin Monika Mayer im DVE
(Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.) engagiert. Sie
verdeutlicht, dass mit den richtigen Mitteln ein besseres Klima
geschaffen werden kann – ein sowohl aus gesellschaftlicher als auch
aus politischer und wirtschaftlicher Hinsicht erstrebenswerter
Zustand, der letztlich auch für mehr Sicherheit für alle Menschen
sorgt.
Die Lebenssituation benachteiligter Menschen nachhaltig verbessern
– nicht mehr und nicht weniger hat die sogenannte
gemeinwesenorientierte Arbeit zum Ziel. Benachteiligte und somit
förderungsbedürftig sind in diesem Zusammenhang diejenigen, die
aufgrund ihrer Lage vom gesellschaftlichen Leben quasi ausgeschlossen
sind. Unter anderem gehören dazu von Altersarmut oder
Langzeitarbeitslosigkeit Betroffene oder Menschen mit
Migrationshintergrund und Geflüchtete. Sie gilt es zu unterstützen
und so zu befähigen, dass sie ihr Leben besser strukturieren und sich
neu ausrichten können. –Die eigenen Ressourcen erkennen– und
–sinnvolle Aufgaben und Aktivitäten finden– sind dabei wichtige
Aspekte, um die sich Ergotherapeuten in den interdisziplinär
aufgestellten Projektteams kümmern.
Menschen und damit ihre Handlungsplanung aktivieren
Die Folgen des meist ungewollten „Nichtstuns“ sind sichtbar und
Dr. Sandra Schiller führt dazu die Forschungsergebnisse der dänischen
Ergotherapeutin Anne-Le Morville mit geflüchteten Menschen an: Sie
konnte belegen, dass die Handlungsplanung im Gehirn bei denjenigen,
denen eine sinnvolle Möglichkeit sich zu betätigen fehlt, tatsächlich
sogar abnimmt, je länger sie nichts tun (dürfen). Es handelt sich
also nicht etwa um intellektuelle oder individuelle Defizite, darum,
dass jemand nicht will – vielmehr sind es in aller Regel die äußeren
Umstände die dazu führen, dass Menschen durch fehlende Aufgaben und
eine zu geringe Betätigung nicht mehr zu einer vernünftigen
Handlungsplanung imstande sind. Übertragbar sind die Erkenntnisse mit
geflüchteten Menschen auf alle anderen Gruppen von Menschen in
vergleichbaren Situationen, die einen Betätigungsmangel zur Folge
haben. Um diese Menschen zu einem aktiven Teil der Gesellschaft zu
machen, sie zu integrieren, sind Projekte im Gemeinwesen dringend
nötig. Dass Investitionen an dieser Stelle später größere Schäden und
Ausgaben durchaus minimieren, erkennen inzwischen viele Kommunen.
Wohlfahrtsverbände und ähnliche Institutionen, ja sogar
Wohnbaugesellschaften sehen den Nutzen ebenfalls und setzen
mittlerweile entweder einzelne Mitarbeiter oder ganze Teams ein, die
sich um die Bewohner ihrer Einrichtungen beziehungsweise ihrer
Quartiere kümmern.
Ergotherapeuten sorgen für Empowerment…
„Das ist eine Entwicklung, die in die richtige Richtung geht“,
bestätigt die Ergotherapeutin Mayer. Neben den Fachdisziplinen mit
sozial ausgerichtetem Hintergrund sind häufig Ergotherapeuten Teil
solcher Projektteams beziehungsweise sind sie in manchen Fällen sogar
fest angestellt. Mayer erklärt, welche besonderen Impulse in diesem
Kontext von ihren Berufskollegen ausgehen: „Ergotherapeuten gehen den
Ursachen auf den Grund. Sie erkennen mit ihrem professionell
geschulten Blick, wenn jemand etwa Probleme hat, sich zu beteiligen.“
Sind es Einschränkungen, Defizite oder Erkrankungen, können
Ergotherapeuten oftmals sogar direkt intervenieren oder nötigenfalls
zusätzlich dafür sorgen, dass die betroffenen Menschen weitere
zielgerichtete professionelle Hilfe erhalten. Durch eine Kombination
aus unterschiedlichen Fachbereichen wie Medizin und
Sozialwissenschaften, ergänzt durch Elemente aus Pädagogik,
Psychologie und Soziologie erhalten Ergotherapeuten diese spezielle
Befähigung. Sie richten den Fokus auf den Menschen, seine Biografie,
Kompetenzen, Potenziale und das was er tut – oder eben auch nicht,
beleuchten das Umfeld und erhalten so ganz andere Einblicke und
Erkenntnisse. „Es reicht nicht, auf eine Aufgabe zu schauen, die zu
einem Ziel führen soll“, fasst Mayer zusammen. Ergotherapeuten
schauen: Wie kann der Mensch, um den es geht, zum Ziel kommen. Und
wieviel individuelle Unterstützung ist erforderlich, damit die Leute
sich mit einer Aufgabe so auseinandersetzen, dass sie sie bewältigen
können – und zwar schrittweise, ihrem eigenen Potenzial und
Fähigkeiten entsprechend und ohne dass es übergriffig wird. So
funktioniert bei Ergotherapeuten Empowerment.
…koordinieren, sind Schnittstelle und initiieren Netzwerke
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der zum Gelingen einer
funktionierenden Gemeinschaft beiträgt, ist, die Menschen, die Hilfe
benötigen, zu erreichen. „Das klappt erfahrungsgemäß am besten, wenn
sie sehen, dass sich vor Ort etwas tut“, so Sandra Schiller. Angebote
in schriftlicher, gedruckter oder digitaler Form erfüllen diesen
Zweck eher nicht. Gute Erfahrungen gibt es mit dem Schaffen von
Tauschbörsen oder Beratungsstellen, Nachbarschaftscafés, Küchen und
anderen Begegnungszentren. Über Projekte wie Urban Gardening, weiß
Schiller nur Positives zu berichten. Werden Beete oder Hochbeete
zentral anlegt, haben sie den wunderbaren Effekt, dass viele Menschen
vorbeigehen, sich häufig direkt einbringen und mitmachen. Im
miteinander Tun kommen sie leicht ins Gespräch; selbst bei
sprachlichen Barrieren entstehen Kontakte, die bestehen bleiben,
Netzwerke bilden und weiten sich aus. Ergotherapeuten sorgen in ihrer
Schnittstellenfunktion zwischen dem Einzelnen, der Gruppe, aber auch
den anderen Fachdisziplinen und Behörden dafür, dass einmal
Angebahntes nicht zum Erlahmen kommt. Und können so von zahlreichen
Erfolgen berichten: von Menschen, die Verantwortung übernehmen – für
sich, teils auch für andere. Von gelungener Inklusion, bei der
Menschen sich integriert oder andere in ihre Gruppe aufgenommen
haben. Von Menschen, die aufgrund ihrer (wieder)entdeckten
Fähigkeiten eine Arbeit gefunden haben, oder von Menschen, die einen
Zugang zur Politik gefunden haben.
Die gezeigten Erfolge sind nicht nur Erfolge für das Individuum.
Es sind Erfolge für die Gesellschaft, die neben den humanitären
Aspekten durch eine entschärfte Situation in unterprivilegierten
Stadtteilen von mehr Sicherheit profitiert. Und last but not least
setzt die Arbeit im Gemeinwesen da an, wo der Bundespräsidenten
Frank-Walter Steinmeier bei seiner Weihnachtsansprache den Finger in
die Wunde hält: beim miteinander reden und beim Unterschiede
aushalten.
Informationsmaterial gibt es bei den Ergotherapeuten des DVE
(Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.); Ergotherapeuten in
Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes im Navigationspunkt
Service und Ergotherapeutische Praxen, Suche.
Pressekontakt:
Angelika Reinecke, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des DVE e.V.
Telefon: 033335 – 303033, E-Mail: a.reinecke@dve.info
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