Deutschland hat mehr Ärzte pro Einwohner als die
meisten anderen Länder. Trotzdem gibt es in einigen Regionen
Versorgungslücken. Grund dafür ist, dass die Ärzte extrem ungleich
verteilt sind. Während gerade ländliche Gegenden unter Ärztemangel
leiden, gelten viele Städte als überversorgt. Ein Anfang letzten
Jahres in Kraft getretenes Gesetz sollte das ändern.
MONITOR-Recherchen zeigen nun: Das Gesetz ist praktisch wirkungslos.
In gerade einmal vier Fällen sind Kassenarztsitze in stark
überversorgten Gebieten abgebaut worden.
Um Kassenpatienten behandeln zu können, brauchen Ärzte in
Deutschland eine Zulassung. Hier wollte das Gesetz ansetzen. Es
zielte unter anderem darauf ab, die Zahl der Kassenzulassungen in
stark überversorgten Gebieten (ab einem Versorgungsgrad von 140
Prozent) zu senken. Dadurch sollte für Ärzte ein Anreiz gesetzt
werden, sich in unterversorgten Gebieten niederzulassen. Das Gesetz
sieht vor, dass Ärzte, die ihre Kassenzulassung abgeben wollen, weil
sie zum Beispiel in den Ruhestand gehen, ihre Zulassung nicht in
jedem Fall an einen anderen Arzt weiterverkaufen können. Stattdessen
sollen, wenn die entsprechende Region als überversorgt gilt, die
jeweils zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen eingreifen, die
Zulassung gegen Zahlung einer Entschädigung „aufkaufen“ und nicht
erneut vergeben. Finanziert wird das vor allem aus Beitragsgeldern
der gesetzlich Versicherten. Nachfragen von MONITOR bei allen 17
Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zeigen nun jedoch: Bundesweit
ist das in Regionen mit einem Versorgungsgrad ab 140 Prozent nur vier
Mal geschehen. Und das, obwohl hunderte Kassensitze zur Disposition
standen.
„Angesichts dieser Zahlen muss man leider sagen, dass dieses
Instrument für den Versicherten nichts gebracht hat“, sagt Ann
Martini vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen. Experten
machen die vielen Ausnahmen im Gesetz dafür verantwortlich, dass es
quasi wirkungslos ist. Im Vorfeld des Gesetzes hatten Ärztevertreter
heftig protestiert und vor „Mangelversorgung“ und „Staatsmedizin nach
DDR-Muster“ gewarnt. Daraufhin hat Bundesgesundheitsminister Gröhe
einen Passus ins Gesetz aufgenommen, nach dem Arztpraxen erst ab
einem Versorgungsgrad von 140 Prozent statt vorher 110 Prozent
aufgekauft werden sollen. So fielen viele Arztsitze aus dem Raster.
Einen weiteren Grund für das Scheitern sehen Experten darin, dass
die Entscheidung, ob eine Zulassung aufgekauft wird oder nicht, im
Zweifelsfall von den Ärztevertretern in den Zulassungsausschüssen
getroffen wird. Prof. Gerd Glaeske, langjähriges Mitglied im
Sachverständigenrat Gesundheit der Bundesregierung, hält es für einen
Fehler, solche Entscheidungen der Selbstverwaltung von Ärzten und
Kassen zu überlassen: „Da müsste die Politik sehr viel aktiver werden
und Dinge selbst entscheiden, die sie eigentlich der Selbstverwaltung
überlassen wollte.“
Das Bundesgesundheitsministerium kommentierte die Zahlen auf
Anfrage von MONITOR nicht.
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