Die Einführung einer Mindestvergütung für Azubis
ist überfällig. Ob aber 515 oder perspektivisch 620 Euro wirklich
reichen, um eine Ausbildung als Friseur, Bäcker oder Fleischer
attraktiv zu machen, ist fraglich. Denn leben kann man auch davon
nicht. Zudem müssen neben der Vergütung die sonstigen
Arbeitsbedingungen stimmen. Wer wie die meisten heutigen
Schulabgänger bessere Alternativen hat, wird kaum bereit sein, einen
brüllenden Chef oder Zehn-Stunden-Tage ohne Pause zu ertragen – oder
Locken legen nur nach Feierabend üben zu können. Wie schon bei
Einführung des allgemeinen Mindestlohns haben sich die Arbeitgeber
mit ihrem Ruf nach »Mäßigung« durchgesetzt. Dabei ist die
Mindestvergütung gerade im Interesse von kleinen und kleinsten
Betrieben, denn die sind es, die zugleich am meisten über
Nachwuchsmangel und hohe Abbrecherquoten klagen. Als unterste
Haltelinie ist der Azubi-Mindestlohn dennoch wichtig, denn er
stabilisiert das Tarifvertragssystem. In manchen Branchen haben
Gewerkschaften Tarifverträge vereinbart, die deutlich unter der neuen
Mindestgrenze liegen – wie etwa im Friseurhandwerk in Brandenburg.
Hier haben Azubis erstmal das Nachsehen, denn Abweichungen nach unten
sind auch künftig möglich, wenn die Tarifparteien sich einig sind.
Gewerkschaften wären jedoch schlecht beraten, diese Option zu nutzen.
Die Mindestvergütung gibt ihnen vielmehr ein Argument an die Hand, um
mehr zu fordern als das Mindeste.
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