Der Geist von Hedonismus und Avantgarde umwehte in
dieser Tarifrunde die mächtige, männliche IG Metall. Mit ihrer
Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten hat sie eine Nischendebatte
groß gemacht. Dabei ging es in der gesellschaftlichen Diskussion um
mehr als um das, was die Gewerkschaft in dieser Tarifrunde erreichen
wollte – und die Debatte war noch weiter entfernt von dem, was die IG
Metall nun erreicht hat. Diskutiert wurde nicht allein über Menschen
mit Kindern oder pflegebedürftigen Eltern, auch nicht nur über zwei
Jahre kürzertreten, sondern darüber, dass sich viele Menschen kürzere
Arbeitszeiten wünschen, egal aus welchem Grund. Die
gesellschaftlichen Werte haben sich gewandelt. Weniger Arbeiten ist
wichtiger als Geld – dafür haben Menschen in den vergangenen Wochen
eine Vielzahl an guten Argumenten gefunden und gesehen, dass sie mit
ihrem Wunsch nicht allein sind – eine wichtige Voraussetzung für
einen Wandel der Arbeitskultur. Lebensweltliche Änderungen hängen ja
oft an vorhandenen oder fehlenden Vorbildern, wenn man an Männer und
Elternzeit denkt.
Leben ist wichtiger als Arbeit. Zeit ist wichtiger als Geld.
Dieses Signal bleibt von dieser Tarifrunde. Das ist gut, birgt aber
auch die Gefahr, dass sich die Wahloption Geld oder Freizeit als neue
Losung durchsetzt. Denn bislang kommt der selbstbewusste Anspruch der
älteren Arbeitergeneration auf vollen Lohnausgleich sträflich zu
kurz. Das spricht für eine wohltuende Einstellungsveränderung, aber
auch für die Schwäche der Gewerkschaften.
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