Neues Deutschland: zum Jahreskongress des Bundes der Vetriebenen

Gerade hat die Republik den wiederholten Ausfall
eines frustrierten Beamten zum Diskussionsanstoß geadelt: ob unsere
ethnisch angeordnete Klassengesellschaft nicht doch primär
biologisch-kulturell zu erklären sei. Droht nun, nachdem einmal auf
dem Tisch liegt, was man im CDU-nahen Bund der Vetriebenen (BdV) so
über den Zweiten Weltkrieg denkt, eine »Debatte« darüber? Wie würde
sie ausgehen – an der Bushaltestelle, in der Frühstückspause? Der
Sozialpsychologe Harald Welzer hat beschrieben, dass es zwei deutsche
NS-Erinnerungen gibt: Die »offizielle« Version – und die familiäre
Erzählung. Auf dieser zweiten Ebene war alles halb so wild und hatte
nichts mit der Familie zu tun. Gibt es eine solche Nebenerzählung
auch über den Krieg? Hat Sarrazin auch diesen Stöpsel gezogen, droht
die neue Rechtspartei? Oder ist alles nur ein bisschen Rambazamba?
Eine Menge Fragen für die CDU-Chefin – die das Problem wie immer
angeht: Deckel drauf. Mit dem Bund der Vertriebenen glaubt sie sich
inhaltlich nicht anlegen zu können – und dort weiß man eigentlich,
dass das viele Geld auch auf der Parteinähe beruht. Dafür wurde ab
und zu ein wenig Kreide gefressen. So hat es immer funktioniert, so
will es Merkel auch weiter halten: Bloß kein »Getöse«, Rest egal.
 Doch einstweilen ist nicht sie am Zug, sondern die Steinbachs
und Gottbergs dieses Landes. Und sollten diese auch künftig den Rand
nicht halten können, wäre das Problem letztlich auch hausgemacht.
Über viele Generationen. Denn schließlich hat nicht nur der BdV seine
Gründungsgeneration nie systematisch aufgearbeitet – sondern auch die
CDU.

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